Alpenreise 2015
Tag 1: Autozug Hamburg - Wien
Tag 2: Wien - Riegersburg
Tag 3: Durch die Steiermark
Tag 4: Hallstatt
Tag 5: Salzkammergut
Tag 6-8: Berchtesgaden
Tag 9: Berchtesgaden - Fusch
Tag 10: Großglocknerstraße
Tag 11: Alpenpark Karwendel
Tag 12: Innsbruck - Häselgehr
Tag 13: Silvretta Hochalpenstraße
Tag 14: Via Alpsu und Furkastraße
Tag 15: Binntal - La Fouly
Tag 16: La Fouly - Thunersee
Tag 17: Jokertag in Spiez
Tag 18-19: Thun-Lörrach-Kiel
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Heimreise

Die letzten Nächte habe ich mit dem Halstuch über den Augen geschlafen und so die perfekte Verdunkelung erreicht. Bevor ich das Tuch abnehme, habe ich keine Ahnung, ob es schon hell ist, oder noch stockfinstere Nacht.

Thunersee

Heute Morgen ist es trübe grau, als ich das Tuch von den Augen streife. Als ich kurz darauf aus dem Waschhaus komme, packe ich meine Sachen zusammen, baue das Zelt ab und mache das Motorrad reisefertig.

Ich habe alle Zeit der Welt, denn der Autozug legt erst um 21:30 Uhr aus Lörrach ab und bis da sind es nur 178 km. Ich setze mich in das Campingbistro und bestelle Kaffee und Buttergipfel zum Frühtstück.

Thunersee Straße

Es ist kurz nach zehn, als ich an Interlaken vorbei um den Thunersee herumfahre. Die Uferstraße ist aus dem nackten Fels herausge­hauen, jeder Meter ein Kunstwerk. In langge­streckten S-Kurven geht es durch Tunnel und Galerien, links der See, während rechts der Fels senkrecht nach oben wächst.

Wie anders diese Landschaft ist, als mein Schleswig-Holstein, wo ich geboren bin. Bei uns ist das Land flach, viel Grün, Wiesen, Wälder und Seen, selten ein Hügel, den der Gletscher dort zurückgelassen hat, Kühe, Weiden und Wasser, niemals ein Stück Fels, keine Berge, keine Gipfel, dafür zwei Meere zur Auswahl, die nirgends weit entfernt sind.

Interlaken liegt gerade 8 km hinter mir, als hoch oben in der Wand ein Turm zu erkennen ist. Dort liegt der Eingang zur Beatushöhle, die einen Kilometer weit ins Innere des Niederhorn-Massivs reicht.

Beatushöhle am Thunersee

Ein Wanderweg führt vom Parkplatz über Treppen und Stege hinauf zum Eingang der Höhle. Aus einem Wasserfall hängen fremdartig erscheinende Moose herunter. Ein seltsamer Anblick, wie aus einem Märchenfilm.

Wasserfall Beatushöhle am Thunersee

Ich genieße den Blick über den Thunersee. Irgendwo dort drüben liegt mein Campingplatz, aber mit dem bloßen Auge kann ich ihn nicht ausmachen. Auf die Besichtigung der Höhle verzichte ich heute Morgen und fahre bald weiter.

In Thun tanke ich voll und fahre in Richtung Bern. Kaum habe ich den Thunsersee hinter mir gelassen, verändert sich die Landschaft und mit ihr die Straßen. Die Berge weichen zurück und machen saftigen Wiesen Platz. Die Straße führt gut ausgebaut zum Horizont.

Schnelle Landstraße in der Schweiz

Ich sehe auf den Tacho und wundere mich, dass ich hundert fahre. Es kommt mir eigenartig zu schnell vor, aber diese Straße verlangt das geradezu, sonst habe ich das Gefühl, in der Landschaft zu stehen und nicht voranzukommen.

Sowie das Auge etwas hat, an dem es sich festhalten kann, fahre ich automatisch langsamer. Eine Burgruine taucht in der Ferne auf. Mit dem Zoomobjektiv meiner Reisekamera hole ich sie heran, so gut es geht. Später erfahre ich, dass es die Burg Neu-Falkenstein ist.

Ruine Neu-Falkenstein

Endlich erreiche ich Basel, das mit 175'131 Einwohnern die drittgrösste Stadt der Schweiz ist. Damit ist Basel deutlich kleiner als Kiel und doch kommt mir die Stadt wie ein Moloch vor, so fremd, soviel Verkehr. Ich fühle mich unwohl, wie immer in fremden Großstädten.

Ich folge stur dem Track auf dem Display des GPS und bin nach einer Weile, die mir endlos erscheint, endlich aus der Innenstadt heraus und überquere die Grenze nach Deutschland.

Bis zum Güterbahnhof in Lörrach sind es nur 10 km. Ich bin Stunden zu früh und stelle das Motorrad am Bahnhof ab. Von hier sind es nur wenige Schritte bis in die Fußgängerzone.

Ich setze mich in den türkischen Grill am Bahnhofsplatz und bestelle mir die größte Fleisch­platte, die sie haben: Ein Karisik Izgara. Der Global Grill in Lörrach ist vielleicht keine Oase der Gemütlichkeit, doch das Essen schmeckt.

Am späten Nachmittag bin ich durch mit Lörrach: Ich war bei Karstadt, bin die Fußgänger­zone zweimal rauf und runter gestiefelt, habe gegessen, Kaffee getrunken, gelesen, geschrieben und mich gelangweilt.

Jetzt kann ich allmählich zur Verladestation fahren. Es ist zwar immer noch zu früh, doch nicht mehr so erbärmlich viel zu früh, dass ich mir doof vorkomme.

Am späten Nachmittag treffen die ersten Biker ein und bald ist Greeny nicht mehr das einzige Motorrad am Bahnhof, oder streng genommen doch, denn die anderen Maschinen sind sogenannte Moppeds, jedenfalls werden sie von ihren Fahrern so bezeichnet.

Lörrach Autozug Bahnhof Motorräder

Die Systematik dahinter ist schwierig zu durch­schauen: Moppeds scheinen immer etwas schwerer zu sein, mit viel Zubehör und irgendwas von Touratech und häufig gehört auch ein Klapphelm dazu, aber der scheint nicht zwingend notwendig zu sein, um als Mopped zu gelten, denn ich hab auch welche ohne gesehen. Sonst habe ich keinen Unterschied zu handels­üblichen Motorrädern entdecken können.

Gegen Abend kommt Bewegung in die Menge, die Verladung beginnt. Mit tief eingezogenem Kopf rolle ich vorsichtig auf den Autozug. Inzwischen weiß ich, dass ich den Kopf auf den Lenker beugen muss, um ja nicht oben anszustoßen.

Diesmal lasse ich all mein Gepäck auf dem Motorrad und nehme nur den Tankrucksack mit ins Abteil. Die Rockstraps und die zusätzlichen Spanngummis halten so sicher, dass mein Gepäck die Fahrt im offenen Autozugwaggon heil überstehen sollte.

Motorräder auf dem Autozug Waggon

Mein Abteil habe ich anfangs ganz allein für mich, bis zwei Harleyfahrer mit ins Abteil kommen, ein Pärchen aus Hamburg, die in den Dolomiten unterwegs waren. Wir teilen Käse und Wein, während wir unsere Erlebnisse austauschen.

Viel später, als der Zug längst auf offener Strecke ist, liege ich in der Koje und hänge meinen Gedanken nach. Mit dem Autozug von Hamburg nach Wien, einmal quer durch Österreich und die Schweiz und am Ende über Nacht im Autozug von Lörrach zurück nach Hause.

Eine perfekte Route für Motorradreisende, doch wenn im Oktober 2016 der letzte Autozug aus Lörrach startet, dann ist dieses Tor nach Süden für mich geschlossen, denn auf der Straße ist mir der Weg zurück nach Kiel zu öde und zu weit.

Österreich hat mir besonders gut gefallen. Die Landschaft ist so überwältigend schön, die Menschen so freundlich und aufgeschlossen, das Essen deftig und lecker. Österreich ist ein tolles Urlaubsland. Allein die hohe Verkehrsdichte und die ungeheure Zahl von Motorrädern in den Alpen kann nerven, doch wo es schön ist, wollen eben viele fahren.

Die Schweiz war eine Überraschung: Wunderschön, perfekte Straßen, eine Landschaft, wie eine Postkarte, doch die Preise sind soviel höher als zuhause in Kiel, dass es eine Phase der Umgewöhnung braucht, bis man ohne Murren zahlt und sich nicht die Urlaubs­stimmung verderben lässt.

Die Nacht vergeht, wie Nächte auf dem Autozug vergehen: Man schläft unruhig, wird ein Dutzend Mal wach, wartet auf Abstellgleisen, steht in Bahnhöfen, wo einem Bahnsteig­lampen ins Gesicht leuchten, es rüttelt und schüttelt, das Rattern der Schienen, wieder einschlafen.

Irgendwann am Morgen wache ich vom Knacken des Lautsprechers auf: "Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ich hoffe, Sie hatten eine erholsame Nacht an Bord des Autozuges von Lörrach nach Hamburg. Wir werden Hamburg-Altona planmäßig erreichen und servieren Ihnen jetzt in Kürze das Frühstück."

Frühstück im Autozug

Wenige Minuten später serviert ein gut gelaunter Schaffner das Frühstück: Marmelade von Schwartau, Kaffee von Dallmayr, eine kleine Tüte Hohes-C und frische Brötchen. Wir sitzen alle ein wenig zerknittert an dem rasch eingehängten Tisch und schlürfen unseren Kaffee.

Autozug Ankunft Hamburg-Altona

Als der Zug in Hamburg-Altona einläuft und wir endlich zu unseren Motorrädern dürfen, bin ich einigermaßen erleichtert, dass mein Gepäck noch vollständig und unversehrt vorhanden ist. Nichts geklaut, nichts runtergeweht, alles in Ordnung.

Die Fahrt im Hamburger Stadtverkehr ist ätzend und die vielen Kilometer durch den dicken Speckgürtel, der sich um die Weltstadt herum angesetzt hat, vergehen quälend langsam, doch je weiter ich nach Norden komme, desto freier werden die Straßen, die Landschaft wird offener und der Himmel blauer und höher.

Meine Herbstreise durch die Alpen war ein voller Erfolg, aber so gerne ich mit dem Motorrad in fremde Länder fahre, so gerne komme ich zurück nach Schleswig-Holstein. Hier ist meine Heimat und von hier starte ich bald zu neuen Abenteuern.

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.