Reise in die Bretagne
Tag 1: Kiel - Lörrach
Tag 2: Lörrach - Langres
Tag 3: Langres - Gien
Tag 4: Gien - Saumur
Tag 5: Saumur - Pontorson
Tag 6: Mont Saint Michel
Tag 7: Cancale - Trébeurden
Tag 8: Lannion - Brest - Chateaulin
Tag 9: Chateaulin - Concarneau
Tag 10: Pont Aven - Südbretagne
Tag 11: Salzgärten von Guérande
Tag 12: Saint-Nazaire - Surgères
Tag 13: Cognac - Jumilhac-le-Grand
Tag 14: Jumilhac-le-Grand
Tag 15: Jumilhac-le-Grand - Murol
Tag 16: Château de Murol
Tag 17: Murol - Camp Le Gouffre
Tag 18: Vercors - Chartreuse
Tag 19: St.Claude - Camp Cibourg
Tag 20/21: Cibourg - Lörrach - Kiel
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Überraschende Begegnung

Achtzehn Reisetage und noch kein Tropfen Regen. Nicht ein einziger! Schon dafür liebe ich Frankreich. Und natürlich wegen der Erfindung des Rotweins, der Croissants und des Entrecôtes. Dagegen würde ich im Leben nicht wieder nach Nordirland fahren. Außer vielleicht in einem U-Boot.

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Es ist ein herrlicher Morgen. Pieps und ich sitzen beim Frühstück mit Baguette, Croissant und "Erdbiermamelade". "Körsch" ist leider aus, aber wir sind trotzdem zufrieden. Der Kaffee ist wunderbar und ich schmiere dick Butter auf das Baguette.

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Camping Gouffre de la Croix ist ein toller Platz, um ein Basislager für Touren durchs Vercors und die Chartreuse zu errichten. Nur einen Kilometer von hier liegt die Grotte de Choranche, die ich letztes Mal so bewundert habe. Eine schönere Höhle habe ich nie gesehen. Sie ist unbedingt einen Besuch wert, auch wenn ich kein Wort der Führung verstanden habe.

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Für Motorradfahrer ist das Highlight dieser Gegend eine Fahrt auf der Route Gorges de la Bourne. Die Straße verläuft 24 Kilometer entlang der Bourne-Schlucht. Der Fluss, an dessen Ufer auch das Camp liegt, hat sich tief in die Felsen geschnitten.

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Die Route beginnt in Pont-en-Royans und führt direkt am Campingplatz vorbei. Mit ihren dramatischen Überhängen und den kurzen Felsentunneln gehört sie zu den aufregendsten Strecken der französischen Alpen.

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Irgendwo auf halbem Weg führt ein weiterer Tunnel in den Berg. Außen verläuft noch ein Rest der alten Straße, aber die Einfahrt wurde zugemauert. Langsam fahre ich durch den Tunnel und biege am Ende scharf ab. Dieses Ende ist nur durch einen flachen Erdwall versperrt. Kein Hindernis für Greeny, Pieps und mich.

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Nach 24 Kilometern endet die Route Gorges de la Bourne und geht in eine normale, handelsübliche Serpentinenstrecke über. An einer Ausweichstelle lege ich eine kurze Pause ein und trinke einen Schluck Synapsenwasser.

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Die Stadt Grenoble lasse ich aus und fahre auf kleinen Straßen um sie herum. Am Stadtrand beginnt das Chartreuse, eine absolute Premiumgegend zum Motorradfahren.

In tausend Metern Höhe liegt Saint-Pierre-de-Chartreuse. Ich erkenne das Dorf sofort wieder. Hier habe ich auf meiner Reise in die Auvergne so gut gegessen. Ich muss bloß diese hübsche Bäckerei wiederfinden.

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Die letzte in Frage kommende Straße im Dorf ist es. Ich bin die dritte Welt der Orientierung, denke ich resigniert, aber wenigstens sieht man mir das nicht an, wie ich betont lässig von der hochbeinigen Enduro steige.

Ich bestelle Kaffee und einen dreifachen Croque Monsieur au Jambon, einen Klassiker der französischen Küche, ein Gedicht aus geröstetem Brot, heißem Käse, Schinken und unzähligen Kalorien. Ich liebe es und Pieps tut das auch.

Mit neuer Energie steige ich aufs Motorrad und fahre weiter. Manche Schluchten im Gebirge sind so tief eingeschnitten, die Felswände so steil, dass kaum ein Sonnenstrahl bis nach unten fällt. Hier ist es angenehm kühl.

Schließlich wird die Straße breiter, der Verkehr stärker und ich fahre geradewegs durch die Innenstadt von Chambery. Das Schönste an dieser 60.000-Einwohner-Stadt ist ihr Name. Ansonsten ist sie ziemlich ätzend und der dichte Straßenverkehr kein Vergnügen. Die Luft steht im Tal. Ab dreißig Grad ist es mir zu heiß zum Motorradfahren. Wenn ich in ein paar Wochen nach Italien fahre, werde ich zum ersten Mal meine neue Rokker The Diva Jeans anziehen. Falls ich es bis dahin schaffe, mich in die hautenge Kevlarhose rein zu hungern.

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Hinter Chambery führt die Straße am Ufer des Lac du Bourget entlang und kurz darauf erreiche ich einmal mehr die Rhone. Während ich gestern einen gewaltigen Strom überquert habe, fahre ich heute am Ufer eines schmalen Flusses entlang. Ein Ausflugsboot fährt langsam den Fluss hinauf. Die Leute an Bord gucken und winken. Ich winke zurück und mache ein Foto.

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Camping le Martinet teilt sich den Platz mit einem Tennisclub und dem öffentlichen Freibad. Ganz sicher nicht meine erste Wahl, aber bei meiner Planung habe ich in dieser Gegend keinen anderen Campingplatz gefunden.

Die junge Frau an der Rezeption ist von so herzlicher Freundlichkeit, dass ich mich sofort willkommen fühle. Mir ist unerträglich heiß und sie empfiehlt mir eine ganz bestimmte Parzelle mit viel Schatten. Der Platz ist tatsächlich angenehm schattig, aber um mich herum stehen dicht an dicht Wohnwagen, Wohnmobile, Autos und Zelte.

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Ich rupfe als erstes den Mini aus der Gepäckrolle und ziehe mich um. Aus dem Kühlschrank an der Rezeption kaufe ich zwei eisgekühlte Dosen Bier und setze mich damit auf die Terrasse der Pizzeria. Das Restaurant ist geschlossen, aber die Sonnenschirme sind offen.

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An Tagen wie diesen wünsche ich mich nach Norwegen zurück, am besten auf den Platz am Aursjøvegen, wo ich neben Schneefeldern wild gezeltet habe und es so kalt war, dass das Bratfett nicht aus der Flasche wollte. Frieren macht einen nicht so fertig, wie diese eklige, klebrig schwüle Hitze. In Norwegen denke ich übrigens genau umgekehrt, was die eklige Nässe und Kälte angeht im Vergleich zu dieser wunderbaren Wärme.

Es ist sogar zu heiß für ein schweres Abendessen. Ich werde mir nur die Konservendose heiß machen, die Salami essen, das Baguette, den Käse und die Dose Thunfisch in Öl. Mit halb leerem Magen schläft es sich bei diesem Wetter besser.

Zarte Hammelstücke in einer köstlichen Tomatensauce mit Schnittlauch bestreut, begleitet von Flageolets, garniert mit geschnittenen Zwiebeln, Tomaten und gedünsteten Karotten. Das ist es, was die Konserve verspricht und das Foto auf dem Etikett macht Appetit.

Der graubraune Blubberlutsch der kurz darauf aus der Blechbüchse in die Pfanne quillt, sieht schon weniger appetitlich aus. Viele Bohnen, viel Sauce und nur wenige Brocken fettes Mufflonfleisch. Am besten kaut man das Zeug nicht, sondern schluckt es runter wie Tabletten.

"Bäh...!", sind Pieps und ich uns einig. Dieser Mahlzeit wohnte kein Zauber inne. Wir übertünchen den Geschmack mit dem Öl aus der Fischdose.

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Ich bringe zuerst den Müll weg. Bei dieser Witterung ist ein gefüllter Müllbeutel im Zelt kein Vergnügen. Die Container steht draußen vorm Camp. Als ich durch die Pforte wieder aufs Gelände gehe, hält neben mir eine KTM 990 Adventure vor der Schranke. Der Sound ist unverkennbar, ein harter, kraftvoller Punch, KTM.

Während der Fahrer das Token für die Schranke aus dem Tankrucksack nestelt, werfe ich einen Blick aufs Kennzeichen: HB, Bremen. Blonde Haare gucken frech unterm Helm hervor, kleine Füße, ein Mädchen!

Mehr aus einer Laune heraus rufe ich in fragendem Tonfall hinüber: "Claudia?!"

Ich kannte einmal eine Claudia aus Bremen, die sich eine KTM kaufen wollte, aber das ist zwölf Jahre her und damals gab es nur eine 900er, das Vorgängermodell.

"Woher weißt du das?"

Ihr Tonfall ist überrascht und alarmiert zugleich. Sollte es wirklich...? Durch den Schlitz des offenen Visiers sehe ich in ihre Augen und erkenne sie sofort: Das ist Claudia, der TurboDoc aus Bremen. Mit ihr war ich 2005 in Schweden zu diesem tollen Open Air Concert der Abba Revival Band. Damals fuhr sie eine Africa Twin und ich die KTM 640 Adventure.

"Und wer bist du?" Sie erkennt mich nicht. Kein Wunder, sie hat Svenja nie gesehen.

"Ich bin Sven...ja." Jetzt allmählich dämmert ihr wer ich bin.

Was im Film eine dieser unglaubwürdigen Wendungen ist, wenn ein Regisseur sich anders nicht zu helfen weiß, um seine Geschichte voranzubringen, geschieht jetzt vor meinen Augen: Nach zwölf Jahren treffe ich eine Motorradkumpeline, die ich ewig aus den Augen verloren hatte, zufällig wieder. Beide fern der Heimat, beide unterwegs mit Enduro, Zelt und Schlafsack und beide auf demselben Campingplatz.

Dabei hätten wir uns schon vorgestern in Murol auf dem Flohmarkt am Lac Chambon treffen können, wie ich später erfahre. Wir sind beide ein wenig schockiert und zugleich neugierig aufeinander. Es gibt eine Menge zu erzählen und es fällt ihr anfangs nicht leicht, sich an die neue Svenja zu gewöhnen: "Muss ich dich jetzt auch so nennen?"

"Ja!"

Sogar unsere Ausrüstung ähnelt sich: Neben Enduro, Zelt und Schlafsack haben wir jede auch eine halbe Flasche Wein dabei. Wir nehmen die angefangenen Flaschen und setzen uns an einen der Picknicktische vor der Rezeption. Zwölf Jahre sind eine lange Zeit und es gibt viel aufzuholen: Motorräder, Reisen, Beruf, Partnerschaften, Krankheiten. In dieser Reihenfolge. Wir setzen beide ähnliche Prioritäten.

Der Wein geht uns lange vor dem Gesprächsstoff aus und irgendwann bin ich zu müde und verabschiede mich in mein Zelt. TurboDoc will noch ihr Abendessen kochen und ich gehe schlafen. Das war ein aufregender Tag.

"Komm Pieps, wir gehen Zähneputzen und dann ab in die Heia..."

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.