Reise in die Bretagne
Tag 1: Kiel - Lörrach
Tag 2: Lörrach - Langres
Tag 3: Langres - Gien
Tag 4: Gien - Saumur
Tag 5: Saumur - Pontorson
Tag 6: Mont Saint Michel
Tag 7: Cancale - Trébeurden
Tag 8: Lannion - Brest - Chateaulin
Tag 9: Chateaulin - Concarneau
Tag 10: Pont Aven - Südbretagne
Tag 11: Salzgärten von Guérande
Tag 12: Saint-Nazaire - Surgères
Tag 13: Cognac - Jumilhac-le-Grand
Tag 14: Jumilhac-le-Grand
Tag 15: Jumilhac-le-Grand - Murol
Tag 16: Château de Murol
Tag 17: Murol - Camp Le Gouffre
Tag 18: Vercors - Chartreuse
Tag 19: St.Claude - Camp Cibourg
Tag 20/21: Cibourg - Lörrach - Kiel
Platzhalter Motorradreise Bretagne
Platzhalter Motorradtour Bretagne
Platzhalter Motorradtour Bretagne
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Im Autozug

Gestern Abend sind spät noch zwei Mädchen mit Wander­ruck­säcken ange­kommen. Jetzt schlafen sie, das Zelt kaum groß genug für Pieps und ihre Barbie. Bis in die Nacht haben die Beiden gekichert, Bier getrunken und mit ihren Smartphones gespielt. So jung, so unbeschwert. Sie haben noch ihr ganzes Leben vor sich.

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"Genau wie ich", denke ich und stülpe mit frechem Grinsen den Helm auf den Kopf. Mit deutlich mehr Power, als eigentlich nötig wäre, heize ich an der Dackelgarage der Mädchen vorbei vom Platz: "Ich wünsche euch ein schönes Leben, ihr Zwei. Mögen die, die ihr liebt euch nie enttäuschen und möge Krankheit euch verschonen." Mehr fällt mir auf die Schnelle nicht ein, da ist das Camp schon im Rückspiegel verschwunden.

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Die Strecke führt heute Morgen durchs Schweizer Jura. Nicht, dass ich besondere geographi­sche Kenntnisse hätte, aber es steht auf dem Zug, der mich gerade überholt, bevor ich Gas gebe und wieder ihn überhole.

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Die Schweiz ist streckenweise sensationell schön zu fahren. Dazu dieses unglaublich stabile Sommer­wetter. Drei Wochen ohne Regen. Ich wusste nicht einmal, dass so etwas überhaupt noch hergestellt wird.

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Auf der Nebenstrecke überquere ich die Grenze zurück nach Frankreich. In Ferrette halte ich vor der Boulangerie Fritschy. Drinnen ist es kühl. Ich bestelle Café au lait und ein Croissant dazu. Es dauert noch ewig lange, bevor ich am Autozug sein muss und so lasse ich mir viel Zeit mit dem kleinen Frühstück.

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Das Überqueren der Rheinbrücke bei Weil am Rhein ist jedesmal ein Schock: Beton, Asphalt, hässlich, zu viele Autos, Schilder, Rost, Effizienz. Es fühlt sich an, wie der Montagmorgen nach einem langen traumhaften Urlaub.

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Als ich in Lörrach auf das Gelände des Güterbahnhofs rolle, steht schon der Zug bereit, mit dem wir heute Nacht nach Hamburg fahren werden. BTE-AutoReiseZug.de steht seitlich auf der nagelneuen schwarzen Lok geschrieben.

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Es macht mir nichts aus, Stunden zu früh am Verladebahnhof zu sein. Die Zeit verbringe ich bei meinem Lieblingsimbiss. So gutes Essen aus einem Imbisswagen erwartet man nicht und ich bin jedes Mal aufs Neue überrascht, wie vor meinen Augen leckere Sachen gekocht werden. Heute Mittag gibt es Zanderfilet. Bei dieser Hitze schmeckt mir sogar der Salat, den es dazu gibt.

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"Wir sind die Toskana Südbadens", veralbert mich einer der Bahnarbeiter in oranger Weste, als ich mich über die Hitze wundere.

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Endlich beginnt die Verladung. Motorräder dürfen zuerst an Bord. Inzwischen habe ich das oft genug gemacht und weiß, was zu tun ist. Während die Autos noch anstehen, habe ich Greeny schon abgestellt und bin mit Tankrucksack und Helm in der Hand auf der Suche nach meinem Waggon.

Endlich habe ich mein Abteil gefunden. Das Zeltthermometer im Tankrucksack zeigt 38,1° C. Die Luft ist drückend heiß. Ich regele den fetten Drehschalter der Klimaanlage auf das tiefste Dunkelblau der Skala, aber kein Lüftchen regt sich.

Der Zugschaffner wandert durch den Waggon und sieht nach dem Rechten. "Die Klimaanlage geht bestimmt erst an, wenn die Lok unter Strom steht, oder?", frage ich ihn.

"Klimaanlage? Wir haben keine Klimaanlage. Aber sie dürfen gerne das Fenster aufmachen, wenn es sich öffnen lässt."

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Während ich aus dem Fenster hänge und beim Verladen zusehe, schieben sich hinter mir zwei wüst aussehende Harley Biker ins Abteil. Schnürjeans, Lederjacke, Kutte und mehr Patches und Abzeichen, als ein Fallschirmspringer aus dem Zweiten Weltkrieg. Es wird schlagartig eng im Abeil. Instinktiv taste ich nach dem Entrecôtemesser an meiner Hüfte.

Meine illustren Schlafgenossen für heute Nacht entpuppen sich als zwei kleine Italiener, Aldo und Mauro. Aldo ist Inhaber einer Garten­baufirma in der Nähe von Verona und Mauro arbeitet fürs Italienische Fernsehen. Die Beiden sind nicht gefährlich, sondern bloß unterwegs zu den Hamburg Harley Days und haben sich dem Anlass entsprechend verkleidet.

Während Mauro und Aldo sich bekannt gemacht haben, ist der Autozug losgefahren. Wir sind auf freier Strecke und Lörrach liegt schon ein gutes Stück hinter uns. Ich wandere an das Ende des letzten Waggons und sehe durch die Scheibe nach hinten. Fein säuberlich aufgereiht stehen die Motorräder auf den Seitenständern.

Ganz vorne ein fetter Cruiser mit viel Chrom und dicken Lampen. So eine würde ich gerne mal fahren, nur um zu erleben, wie es sich anfühlt, damit über die Landstraße zu cruisen, denke ich versonnen.

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Inzwischen ist es Nacht geworden. Wir sitzen zu dritt im Abteil und tun, was Biker tun, wenn sie zu Dritt im Abteil sitzen: Bier trinken und Benzin reden. Es stellt sich heraus, dass die Beiden ihre Harleys hauptsächlich zu den Harley Days hervorholen. Einmal im Jahr die große Reise ohne Family, einmal noch "Die Jungs" sein und nicht Ehemann und Papa.

Ich nutze die Chance, zwei waschechte Italiener zu treffen, denn in wenigen Wochen fahre ich selbst nach Italien und möchte wissen, wie es dort so ist. Mauro spricht etwas Deutsch und hat eine total süße Aussprache: "Italiener siente schlaauu", sagt er und sieht mich dabei aus großen dunklen Augen beschwörend an. Was er meint ist: Die klauen! Ich soll Motorrad und Gepäck niemals unbeaufsichtigt stehen lassen.

"Aber in Italien wird doch nicht geklaut.", halte ich entrüstet gegen: "Davon hab' ich jedenfalls noch nie gehört", setze ich nach. Die Beiden sehen mich entgeistert an. Soviel Naivität ist ihnen noch nicht begegnet.

"Nein, nein", lenke ich ein: "War nur Spaß. Jeder weiß doch, dass Italiener klauen."

Jetzt gucken sie noch entgeisterter. Meine Güte, sind die leicht auf die Rolle zu schieben, denke ich, dabei habe ich die Beiden längst ins Herz geschlossen. Als sie es endlich merken, müssen wir alle drei herzhaft lachen. Ich verspreche, mich in Italien vorzusehen und Aldo macht uns noch drei Flaschen Bier auf.

Wir unterhalten uns noch eine Weile, aber allmählich werde ich müde. Der lange Tag, die Wärme und das Bier machen sich bemerkbar. Ich lege das Laken und das Kissen hin und mache mich bettfertig. Aldo und Mauro verschwinden auf weitere Biere in ein anderes Abteil. Ich lasse das Fenster sperrangelweit offen und lege mich hin.

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Der Lärm und das Schaukeln sind erträglich und nach einer Weile falle ich in einen leichten, unruhigen Schlaf. Einmal in der Nacht schrecke ich hoch: Die Russen kommen! Aber es ist nur ein Intercity, der als Gegenzug mit 300 Sachen am Fenster vorbeirast. Unsere Gardinen flattern waagerecht nach draußen.

Am nächsten Morgen bin ich schon früh hoch und tigere den Gang hinunter mit Pieps zum Zähneputzen. Die Italiener schlafen noch. Als sie endlich wach werden und aus dem Abteil kommen, erinnert es mich an eine Szene aus The Walking Dead. Mit knallroten Augen und schweren Knochen schlurfen sie mir im Gang entgegen. Ich möchte nicht wissen, wie lange die Beiden gestern noch getagt haben.

Etwas später kommt unser Schaffner mit dem Frühstück herum. "No, no. Grazie", lehnen die Beiden unisono die großen Becher Kaffee ab. Der Schaffner ist ebenso erstaunt wie ich. Es geschieht nicht jeden Tag, dass Biker ihren Morgenkaffee ablehnen, zumal diese Beiden aussehen, als könnten sie ihn brauchen.

"Mögt ihr keinen Kaffee?"

"Oh no. Deutsche Kaffee iste wie gepresste Socken", rümpft Aldo die Nase.

"Schmutziege Wasser", stimmt Mauro ein.

Italiener haben wirklich keine Ahnung von Kaffee. Genüsslich nippe ich an dem großen Eimer Filterkaffee. Ich liebe das Aroma von billiger Kondensmilch und dünnem Kaffee. Banausen, denke ich kopfschüttelnd.

In Hamburg Altona geht alles ganz schnell. Eine rasche Verabschiedung, während alle schon nach ihren Maschinen schielen und sich startbereit machen.

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Ich bin froh und glücklich, dass private Firmen den Service Autozug weiterführen, nachdem die Deutsche Bahn uns so schmählich im Stich gelassen hat. Dafür bin ich im Gegenzug bereit, alle möglichen Unvollkommenheiten hinzunehmen. Ich bin zufrieden, wenn nur jemand Greeny, Pieps und mich über Nacht an unser Ziel fährt, während ich schlafe, oder mit Italienern Bier trinke. Alles ist besser, als tausend Kilometer auf der Autobahn abzureißen. Ich liebe es, am nächsten Morgen ausgeruht und mit vollem Tank vom Zug zu rollen und in den Urlaub zu starten.

Auf den letzten Kilometern vor Kiel fängt es an zu regnen. Schleswig-Holstein, meine Heimat, denke ich mit einem tiefen Seufzer. In ein paar Wochen fahre ich wieder los. Mitte September starte ich mit dem Autozug nach Verona...
Platzhalter Fazit der Reise in die Bretagne

Miniskizze Frankreich Wenn man sich die Lage der Bretagne auf der Miniskizze ansieht, dann erkennt man auf den ersten Blick, wo die Schwierigkeit liegt: Sie ist verdammt weit weg. Von Kiel sind es 1.500 km Land­straße bis nach Quimper. Durch den Trick mit dem Autozug habe ich 500 km gespart und bin auf schönsten Strecken an der Loire entlang gefahren, und trotzdem sind es noch über 4.000 km geworden.

Ob ich noch einmal in die Bretagne reisen würde? Nein, wohl eher nicht. Die Bretagne hat mir sehr gut gefallen, aber andere Regionen Frankreichs gefallen mir noch besser. Die Dordogne, das Périgord und besonders die Auvergne liebe ich. Da werde ich ganz sicher wieder hinfahren. Und die Provence kenne ich noch überhaupt nicht.

Frankreich ist ein Reiseziel für Enspannung und Erholung, für gutes Essen und gute Zelt­plätze, für freundliche Menschen und eine perfekte Infrastruktur. Der Service von ADAC und Kawasaki haben wunderbar funktioniert, als Greeny ihre erste Panne bisher hatte.

Muss man, oder sollte man, Französisch sprechen? Nein, die Zeiten sind vorbei. Die Franzosen waren sehr hilfsbereit und haben sich immer Mühe gegeben, mich zu verstehen. Ich bin nirgendwo hungrig weggegangen, ohne Benzin geblieben, oder habe keinen Zeltplatz gefunden. Das war in Tschechien und Polen ungleich schwieriger.

Im September fahre ich nach Italien. Ich bin schon so gespannt auf das Heimatland meiner beiden Harley Biker und Pieps will unbedingt Claudia Bertani besuchen, die ultimative Fachfrau für alles mit Körsch.

Außer Pieps natürlich...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.