Durch Smålands Wälder
Tief drücke ich mein Gesicht in die Kapuze des Daunenschlafsacks, kneife trotzig die Augen zusammen und tue so, als ob ich noch fest schlafe. Gerade jetzt ist es im Bett so schön kuschelig, während die Welt da draußen bestimmt nur kalt, nass und total doof ist.

Draußen herrscht keine Spur mehr von Weltuntergang und nur die tiefen Pfützen und vor Nässe tropfenden Bäume erinnern noch an das Unwetter der vergangenen Nacht.
Uns hält hier nichts und so brechen wir ohne weitere Trödelei unser Lager ab und fahren langsam den sechs Kilometer langen Waldweg zur Hauptstraße zurück. Es ist noch früh am Morgen als wir unsere Motorräder in Urshult vor "Kalles Restaurang" abstellen. An dem größten Tisch sitzen einige Waldarbeiter beim Frühstück zusammen und sehen uns neugierig an. Wir nicken einander höflich zu und bestellen bei der Bedienung am Tresen zwei Becher Kaffee.

Volker hat es besser, oder hat er nicht? Seine Tenere hat einen automatischen Kettenöler, der während er Fahrt tröpfchenweise Öl an die Kette gibt, nur leider ist der kleine Öltank inzwischen fast leer und Volker hat keine Reserve dabei.
Bei nächster Gelegenheit will er sich etwas Kettensägenöl und eine Einwegspritze besorgen, mit der er das System auffüllen kann. Wir machen uns auf die Suche nach einer Apotheke, um eine Spritze zu organisieren.
Durch das Naturreservat Västra Åsnens fahren wir nach Vederslöv, einem kleinen Dorf, in dem ich mir die Zeit nehme, um eine der typischen, skandinavischen Kirchen zu fotografieren. Mich fasziniert der starke Kontrast zu den schweren Bauten in England, die dagegen wie normannische Trutzburgen wirken, und die ich erst vor wenigen Wochen fotografiert habe. Wieviel lieblicher die skandinavischen Bauten dagegen wirken.
Mit einem Einkaufskorb voller Entrecotes, Kotelett, Milchschokolade und Bier stehen wir kurz darauf an der Kasse. 174 Kr steht in roter Leuchtschrift auf dem Kassendisplay. Ich nehme einen Hunderter und ein paar Münzen und halte dem jungen Mädchen an der Kasse die Handvoll Geld mit einem Lächeln entgegen. Sie nimmt es nicht an.
Stattdessen sieht sie mich an wie etwas Ekliges, das unter ihrem Schuh klebt und zeigt nur wortlos auf einen Münzschlitz neben dem Laufband. Dort soll ich die Münzen einwerfen. Nur den 100 Kronen Schein nimmt sie huldvoll entgegen. An ihrem Blick kann man ablesen, dass sie Volker und mich gerade für zwei absolute Landeier hält.

Der Hinterreifen meiner Enduro hat erst 6.000 km runter und trotzdem ist er bald am Ende. Erstaunlich, mit welch gesundem Appetit die kleine Kawa Hinterreifen frisst, doch diese Tour wird er noch durchhalten müssen.
Der nächste größere Ort, durch den wir fahren, ist Vetlanda, eine Kleinstadt mit kaum 13.000 Einwohnern, doch nach der Einsamkeit der Wälder erscheint sie uns wie eine Metropole. Am Marktplatz entdeckt Volker im Vorbeifahren eine Apotheke und hält davor an. Hier bekommt er sicher eine Einwegspritze, um damit seinen Kettenöler aufzufüllen.
Als Volker aus der Apotheke kommt, sehe ich sofort an seinem Gesicht, dass er keinen Erfolg hatte. Wie ich später erfahre, hat er es mit der völlig absurden Kettenöler Story versucht, anstatt meinem Rat zu folgen und mit tränenerstickter Stimme von seiner zuckerkranken Oma zu erzählen. Selbst Schuld, die Apothekerin hat sich sogleich hinter einer angeblichen Mindestabnahme von zehn Stück verschanzt, die Volker dann zu teuer war.
Wir lassen das Gepäck auf den Motorrädern und fragen an der Rezeption nach einer Stugå, einer der kleinen Holzhütten, die auf dem Platz vermietet werden. Mit 250 Kronen, ca. 27 €, ist sie erstaunlich günstig und wir greifen sofort zu.
Dafür gibt es eine süße kleine Hütte mit Etagenbetten, einer winzigen Küchenzeile, einem Klapptisch mit zwei Stühlen und mit einer überdachten Terrasse.
Während unsere Schlafsäcke noch zum Lüften auf der Leine hängen, sitzen wir bereits auf der Terrasse und werfen die Entrecotes in die Pfanne.
Leider ist das Fleisch genauso zäh und geschmacklos wie gestern. So schmecken doch keine Entrecotes. Ich verstehs nicht: Die kochen hier ausgezeichneten Kaffee und backen die leckersten Kuchen, aber Rindfleisch, das kriegen sie nicht hin.
Es beginnt zu regnen und im Handstreich erobern Pieps und ich das obere Etagenbett, wo wir es uns mit unserem neuesten Roman gemütlich machen.

Nur diese eine Krankenschwester kommt uns total merkwürdig vor und Pieps und ich trauen ihr beide nicht. Ich muss unbedingt weiterlesen und sag deshalb jetzt schon mal "Gute Nacht"...
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