Inhaltsverzeichnis Dalarna 2024 Tag 1 Kiel - Oslo Tag 2 Oslo - Schweden Tag 3 Värmland - Dalarna Tag 4 Vansbro und ein Knytkalas Tag 5 Nås - Näs Bruk Tag 6 Avesta Tag 7 Tällberg am Siljansee Tag 8 Outback Dalarna Tag 9 Fäbod Fryksås Tag 10 Älvdalen Tag 11 Lofsdalen - Grövelsjön Tag 12 Femundsee, Norwegen Tag 13 Idre, Särna, Offroadcamp
Am Femundsee
Heute machen wir einen Tagesausflug über die Grenze nach Norwegen an den Femundsee.
Dort liegt Elgå, die südlichste Siedlung der Sami im Norden und einziger Flecken Zivilisation weit und breit.
Von unserer Hütte Lillstugan sind es bloß 8 km bis zur Grenze.
Die Strecke führt durch den Nationalpark Femundsmarka, eines der größten zusammenhängenden Wildnisgebiete in Skandinavien.
Im Reiseführer heißt es. „In dem alten Kiefernwald gedeiht die seltene Wolfsflechte gut, und wenn Sie Glück haben bekommen Sie vielleicht einige unserer großen Raubtiere zu sehen."
Und wenn man noch mehr Glück hat, bekommt man keine zu sehen, denn als Zeltcamperin schätze ich die Abwesenheit von Bären fast noch mehr, als die von Menschen.
Kein einziges Auto begegnet uns auf dem Weg übers Fjell.
In der Ferne liegen Schneereste des Winters im Berg.
Eigentlich müsste es Ende Mai, Anfang Juni kälter sein, aber stattdessen sind es schon 19 °C.
Zwei Kilometer weiter verkündet ein Schild RIKSGRÄNS NORGE und die Asphaltmischung wechselt von Anthrazit auf ein verwaschenes Blassrot. Mehr Grenze ist nicht, keine Ausweiskontrolle, kein „Haben Sie etwas zu verzollen?“, dabei ist das Königreich Norwegen nicht einmal Mitglied der Europäischen Union.
Dafür gehören beide Länder zur Nordischen Passunion, die den grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Schweden, Norwegen, Dänemark, Finnland und Island erleichtert.
Staatsgrenzen spielen in der Wildnis im Grenzland keine Rolle. Rentiere wissen nicht, ob sie in Norwegen oder Schweden sind, und wenn, dann wäre es ihnen egal.
Die Straße führt über einen Hügel und in der Ferne liegt der Femundsee.
In der Nähe des Ostufers lässt eine Samigruppe bei Elgå ihre Rentiere weiden.
Es sollen etwa 3.000 Tiere sein, die sich von den Rentierflechten rund um den See ernähren.
Der Femundveien verläuft schnurgerade nach Elgå hinein, und eines der ersten Gebäude ist Nærbutikken Elgå, der Laden von Peder Røsten und eine Institution in dieser Gegend.
Hier findet vom Touristen bis zum Rentierzüchter jeder, was er braucht, ein Bankterminal, Brief- und Paketposteinlieferung, Angelscheine, Souvenirs, Landkarten der Gegend, eine Auswahl an Angelgeräten, und alles, was täglich im Haushalt gebraucht wird, vom Moskitonetz bis zum Nudelsieb. Dazu eine Hüttenvermietung, ein Café und einen Internet-PC.
Vor allem ist es die einzige Tankstelle im weiten Umkreis, und eine moderne dazu. Sie haben sogar Super Plus 98 ROZ.
Der Laden hat Sonntags geschlossen, aber der Tankautomat ist rund um die Uhr geöffnet.
Ich schiebe die VISA-Karte in den Automaten und höre kurz darauf das gute Super Plus in den Tank der Honda gurgeln.
Von hier bis runter zum Femundsee sind es bloß 200 m. Am Ufer stehen urige Blockhütten, manche mit dicken Grasdächern, die den langen, kalten Wintern in Norwegen trotzen sollen.
Auf einer Landzunge liegt Batsto Camping. Elgå macht insgesamt einen eher touristischen Eindruck, von den Sami und ihren Tieren ist nichts zu sehen, doch das ist kein Wunder, die Rentiere leben in den Wäldern um den See herum.
Über allem thront die Femund Lodge, eine Berghütte mit Zimmern, Hütten und genug Gras drumherum, um ein Zelt darauf aufzustellen. Wohnmobile und Wohnwagen sind nicht erlaubt.
Ich stelle die Honda ab und sehe mich um. Vorm Haus brennt ein Feuer, darüber hängt ein Wasserkessel, vom Ruß geschwärzt, auf den Bänken liegen Rentierfelle.
Innen erinnert die Lodge an eine Jugendherberge, schmale Gänge mit Zimmer zu beiden Seiten. In der Mitte eine Gaststube mit Tresen, eher Kneipe als Restaurant, aber das auffällige sind die vielen Urkunden und Erinnerungsstücke, die an den Wänden hängen.
Der Inhaber der Femund Lodge, Lars Monsen ist ein großer Musher, so heißen die Sportler, die einen Hundeschlitten lenken. Er hat dreimal in Folge am Iditarod teilgenommen, dem längsten Hundeschlittenrennen der Welt, das jeden Winter in Alaska ausgetragen wird.
Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man es erst in Endurowandern umrechnen: Das Iditarod ist für Hundeschlitten, was die Paris-Dakar für Enduros ist, und Lars Monsen hat dreimal in Folge daran teilgenommen und ist jedesmal bis ins Ziel gekommen.
Pieps bleibt davon völlig unberührt und zeigt erst wieder Interesse, als ein Teller mit einer dampfenden Waffel voller Kirschmarmelade vor ihr steht. Frisch gebacken aus der Küche der Femund Lodge.
Ich trinke nur einen Becher Kaffee und schreibe meine Eindrücke ins Moleskine, solange sie noch frisch sind. Am Boden des zweiten Bechers greife ich mir Pieps und wir brechen auf nach Hause.
Ich kann mir gut vorstellen, noch einmal nach Elgå zu reisen und bei der Lodge oder auf dem Campingplatz zu zelten. Auf dem Femundsee fährt im Sommer ein alter Ausflugsdampfer, der "Besucher zu den landschaftlich interessanten Zielen des Femundsmarka-Nationalparks bringt."
Am frühen Nachmittag sind wir zurück am Grövelsjön. Ich schließe die Tür zu unserer Hütte Lillstugan auf und werde die Motorradsachen los. Mit der Landkarte und unserem Reiseplan setze ich mich auf die Bank vor der Hütte. Die Sonne scheint mir ins Gesicht.
Da hat sich etwas verändert in meinen Reisen, denke ich: Inzwischen mag ich es, an einem Ort zweimal zu übernachten und an dem freien Tag einen Ausflug in die Umgebung zu machen. Zu lang soll er nicht sein, sonst wird es Arbeit, aber die 68 km heute waren gerade richtig.
Stell dir vor, du fährst an einem Tag 350 km durch Schweden. Dann bist du 350 km durch Schweden gefahren, aber eben bloß durchgefahren, und gesehen hast du nur die Landschaft, die sie an dir vorbeigezogen haben. Sonst nichts. Du hast nicht inne gehalten, um dir etwas anzusehen und auf dich wirken zu lassen. Bestenfalls die HotDogs im Circle-K.
Ob ich allmählich erwachsen werde? „Niemals!“ habe ich mir geschworen, und heute ist nicht der Tag, damit anzufangen. Viel wichtiger ist die Frage nach dem Abendessen. Der Laden in Elgå war geschlossen, aber für den Notfall ist vorgesorgt: Im Tankrucksack liegen noch drei Bratwürste, die kurzen, dicken, ein Entrecôte und ein Päckchen Rentierschinken.
Ich weiß nicht, ob es bei der Zubereitung von Steaks eine Steigerung von well done gibt, aber wenn, dann liegt sie vor uns auf dem Teller. Dieses Entrecôte hat genügend große Fettaugen, um nicht trocken zu wirken, und Pieps hat eine Flasche Sauce Bérnaise, die den Rest erledigt.
Morgen fahren wir Richtung Süden. Dort erwartet uns ein ganz besonderes Camp, das heißt, "erwartet" ist das falsche Wort, ich habe nämlich nicht gebucht und das Camp hat bloß eine Handvoll Plätze.
Aber das ist ein Problem für Morgen. Heute ist heute und ihr müsst jetzt nach Hause gehen. Ich will meinen Schwedenkrimi weiterlesen und Pieps ist Richtung Camper-Kitchen verschwunden, um zu sehen, ob sich dort etwas abstauben lässt. Ich ahne jetzt schon, dass es später noch Ärger geben wird: „Ist das Ihre Maus ?“„Gute Nacht, Leute. Bis morgen “