Frankreich 2015
Tag 1: Kiel - Garrel
Tag 2: Garrel - Grefrath
Tag 3: Grefrath - Eupen
Tag 4: Eupen - Chiny
Tag 5: Florenville - Lesmont
Tag 6: Lesmont - Gien
Tag 7: Gien, Tag des Sieges
Tag 8: Parc Naturel du Morvan
Tag 9: Luzy - Pont de Menat
Tag 10: Gorge de a Sioule
Tag 11: Murol - St.Genevieve
Tag 12: Espalion - Gorges du Tarn
Tag 13: Millau - La Palhere
Tag 14: Villefort
Tag 15: Ardèche - Le Cheylard
Tag 16: Cheylard - Les Eymes
Tag 17: Grenoble - Lac Annecy
Tag 18: Annecy
Tag 19: Annecy - Saint Hippolyte
Tag 20: Saint Hippolyte - Lörrach
Tag 21/22: Autozug - Kiel - Fazit
Platzhalter Motorradreise Auvergne Frankreich
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Pässesammeln im Chartreuse

Dichter Nebel liegt wie ein nasses Handtuch über dem Zelt. Ein Wetter zum Ausschlafen. Als ich endlich meine Sachen packe, finde ich den Rest Ziegen­käse, den ich gestern gesucht habe. Er ist nur noch ein weißer Schmierfleck unter der Isomatte.

Zelt im Nebel

Schon auf den ersten Kilometern wird der Nebel dünner. Die Sonne brennt bereits schöne blaue Löcher in die Suppe. Wenn mich nicht alles täuscht, wird es ein herrlicher Tag werden. Die Regenkombi liegt schon seit einer Ewigkeit unbeachtet im Gepäck.

Meine Route führt heute durch Grenoble und je näher ich der mondänen Stadt in den Bergen komme, desto dicker werden die Autos. Die sympathischen Renaults und Citroens werden immer häufiger durch Audi Q7 und BMW X6 abgelöst und die französische Leichtigkeit macht nach und nach der Hektik des morgend­lichen Berufs­verkehrs Platz.

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Auf einer 4-spurigen Straße geht es nach Saint Egrève hinein, ein Vorort von Grenoble. Nach den langen Tagen auf Neben­straßen ist es ungewohnt, plötzlich wieder im dichten Stadt­verkehr zu fahren. Montag­morgen: Schwerlaster aus dem nahen Zementwerk, Autos, Liefer­wagen und Roller sind geschäftig unterwegs. Jeder hat es eilig und ich mittendrin.

Grenoble

Aufmerksam lenke ich die zarte Enduro durch den Verkehr und versuche, die Augen überall gleichzeitig zu haben: Vor mir, neben mir und in beiden Rück­spiegeln. Dort vorne ist einer dieser französischen Megastores, da werde ich ranfahren.

Ich setze den Blinker und ordne mich auf dem Linksabbieger ein. Sicher bekomme ich im Einkaufs­zentrum einen Kaffee, auch wenn es nicht so gemütlich ist, wie in einer Bar-Tabac.

FLUNCH RESTAURANT steht in metergroßen Lettern an der Außenwand. Es ist eines dieser modernen Selbst­bedienungs­restaurants, wo bunte Plastik­tabletts über Edelstahl­tresen geschoben werden und die Angebote auf Tafeln an der Wand stehen.

Frühstück

Mit zwei Croissants und einem Pappbecher Automaten­kaffee sitze ich kurz darauf draußen in der Sonne. In der Ferne sind hohe Berge zu sehen. Das müssten bereits die französischen Westalpen sein. Die höchsten Gipfel liegen über 3000 m.

Die Croissants bei FLUNCH haben nichts gemeinsam mit dem Tüten durchfettenden Back­werk aus der Boulangerie in Vernoux-en-Vivarais, die ich gestern so geliebt habe. Diese sehen nur aus wie Croissants und mit dem Kaffee ist es ähnlich. Warum bloß habe ich nicht gewartet, bis ich unterwegs an einer Boulangerie oder einer Bar-Tabac vorbeikomme?

Als ich weiterfahre hat der Berufsverkehr nachgelassen, dafür zieht sich eine Baustelle kilometerweit durch Grenoble. Ich hänge hinter einem Zementlaster fest und versuche möglichst viel von dem Staub wegzuatmen, um die Umwelt zu entlasten.

Wikipedia behauptet, Grenoble sei die größte am Hochgebirge liegende Stadt der Alpen, sogar noch vor Innsbruck, aber ich nehme mir nicht die Zeit, das zu überprüfen. Ich möchte lieber aus dem Stadtverkehr raus, der mich sehr an Zuhause erinnert.

Kaum bin ich aus den Wohnvierteln heraus, windet sich die Straße schon wieder steil den ersten Pass hinauf. Kurz darauf fahre ich über den Col De Palaquit (1154 m) und kurz darauf über den Col de Porte (1326 m).

Col du Cocheron

Kaum habe ich das Motorrad den einen Pass hochge­arbeitet, rollen wir schon wieder hinunter ins Tal, um kurz darauf runterzu­schalten und den nächsten Pass zu erklimmen.

Col du Cucheron (1140 m), Col du Granier (1134 m), Col des Prés (1134 m), Col de Leschaux (901 m), irgendwann verliere ich den Überblick und schreibe nicht mehr alle Namen und Daten in mein Moleskine.

Col de Prés

Pässe sind zum Motorradfahren gemacht. Ein Riesenspaß, aber nichts für Träumer. Ist das eine Kurve oder eine 180° Kehre? Reicht der dritte Gang, oder muss ich runter bis in den Ersten? Kommt Gegenverkehr, oder habe ich Platz? Ist der Asphalt sauber, oder hat ein LKW Dreck von der Bankette auf die Straße geschleudert?

Westalpen

Alle Sinne sind ständig hellwach und in Saint-Pierre-de-Chartreuse, nicht weit hinter Grenoble, habe ich das Gefühl, mir einen Becher Kaffee verdient zu haben. Das Dorf liegt inmitten des Chartreuse-Gebirges in einem Talkessel in 1000 m Höhe.

Vor einem Holzhaus stehen Tische und Stühle einladend in der Sonne. Boulangerie, Patisserie, Salon de Thé steht auf der Fassade. Salon de Thé, ein Tea Room? Tatsächlich ist es eine Mischung aus Bäckerei, Konditorei und Früh­stücks­bäcker. Ich bestelle einen Café au Lait und und ein Croque. Eine Scheibe Graubrot mit Schinken und Käse überbacken.

Soviel Vergnügen die Kurven, Kehren und Serpentinen auch machen, es ist wie mit dem Entrecôte: Nach dem Dritten hat man eigentlich genug.

Den 6. Gang habe ich zuletzt vergangenen Mittwoch benutzt und für eine Etappe von 200 km sitze ich den ganzen Tag im Sattel. Das ist nicht wie die Strecke Kiel - Hannover, die man in zwei Stunden gelangweilt aussitzt. Nein, das hier ist anstrengend und zum ersten Mal habe ich genug vom Pässefahren, jedenfalls für heute.

Endlich erreiche ich Chambery, eine 60.000 Einwohner Stadt in der Region Rhône-Alpes. Die Platten­bauten am Stadtrand erinnern an Banlieuse und auch das Zentrum wirkt müde und abgewohnt. Chambery ist die erste hässliche Stadt, die ich in Frankreich sehe.

Ich fahre an eine Tankstelle heran und stecke die VISA Karte in den Schlitz des Automaten. Card declined, Karte abgelehnt, erscheint im Display. Mit einem wenig damenhaften Fluch schnalle ich den Tankrucksack wieder fest und fahre zur nächsten Station. Chambery ist groß und es gibt genügend Tankstellen, nur Kassen mit Bedienung, wie ich es aus der Heimat gewohnt bin, gibt es hier nur selten.

Kurz darauf stehe ich an einer anderen Tankstelle und versuche mein Glück erneut. ABANDON DEBIT steht auf dem Display und die Pumpe bleibt stumm. Aus irgendeinem Grund ist meine Kreditkarte plötzlich faul, dabei ist noch Geld genug drauf.

Das Thermometer bei einem Reifenhändler zeigt 30°. Ich irre weiter durch Chambery auf der Suche nach einer Tankstelle, wo ich bar zahlen kann. Schließlich tanke ich bei Carrefour und bezahle mit Bargeld. In den Städten wird das kein Problem sein, aber in den Bergen bin ich ohne Plastikgeld aufgeschmissen, weil es dort nur Tankautomaten gibt. Morgen werde ich es mit der EC-Karte probieren.

Die letzten beiden Pässe fallen mir schwer. Ich will endlich Feierabend machen und mein Zelt aufstellen. Plötzlich entdecke ich in der Ferne am Fuß der Berge einen leuchtend blauen See, der ganz klar und rein aussieht.

Lac de Annecy

Das muss Lac Annecy sein, angeblich der sauberste See Europas. Den sehe ich mir morgen an. Heute zelte ich einige Kilometer abseits an einem Berg über dem See.

Endlich lenke ich die Enduro den steilen Weg hinauf vor die Rezeption. Camp Le Crêtoux gefällt mir auf den ersten Blick. Ein großes Gelände mit fetten Wiesen und vielen Bäumen, die Schatten spenden.

Der Campingplatz gehört einer alten Dame, die vielleicht 80 Jahre alt ist. Sie ist schlank und hält sich aufrecht. Mit ihren großen, klugen Augen erinnert sie mich an eine Filmdiva aus der Stummfilmzeit. Sie spricht ausgezeichnetes Deutsch und schon bald sind wir in ein Gespräch vertieft. Ich bezahle für zwei Nächte und erzähle, dass ich morgen Annecy besuchen will.

Die alte Dame schenkt mir einen Stadtplan von Annecy, bevor ich mich verabschiede und daran mache, mein Lager aufzustellen. Die größte Herausforderung ist es, einen ebenen Platz für mein Zelt zu finden. Der Platz liegt am Hang und ich schreite alles ab und versuche dabei, das Gelände mit den Augen einer Wasserwaage zu sehen.

Es ist Mitte Mai und wie nicht anders zu erwarten, habe ich das Camp so früh in der Saison fast für mich allein. Dort vorn, das ist der perfekte Lagerplatz. Ein ebenes Stück im Schatten einer Platane, die wie ein großer grüner Sonnenschirm wirkt.

Camp le Chetroux

Gegen Abend, als Pieps und ich längst gegessen haben und das Geschirr wieder sauber im Zelt steht, höre ich zum ersten Mal auf dieser Reise den eigentümlichen Gesang der Zikaden. Kein anderes Geräusch verbinde ich so sehr mit Urlaub wie dieses.

Morgen werde ich den letzten Jokertag der Reise aufbrauchen. Ich möchte mir Annecy ansehen, eine Stadt aus dem Mittelalter, die im Reiseführer sehr interessant geklungen hat.

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.