Herbstreise nach Skagen / DK
Tag 1: Kiel - Bork Havn
Tag 2: Rundtour Ringkøbing Fjord
Tag 3: Bork Havn - Thisted
Tag 4: Thisted - Skiveren
Tag 5: Skagen
Tag 6: Skiveren - Ebeltoft
Tag 7: Ebeltoft - Kiel
Platzhalter Motorradreise Skagen
Platzhalter Motorradtour Dänemark
Platzhalter Hamburger Fastfood Werbeplakat
Platzhalter Dänemark Margeritenroute
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Platzhalter Eis am Stiel Plakat
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An der Jammerbucht

Der Vollmond wirft einen kalten, silbrigen Glanz auf den Limfjord und vom anderen Ufer scheinen gelb die Lichter der alten Klappbrücke Vilsundbroen herüber. Pieps und ich schlummern selig unterm Mondschein und bekommen von all dem nichts mit.

Zelt im Mondlicht

Mit Abdrücken des Kissens im Gesicht und Schlaf in den Augen krabbele ich am Morgen aus dem Zelt. Ein schöner Platz ist das denke ich, während ich die Stiefel anziehe und hinunter auf den Fjord blicke.

Ich schnappe meine Waschsachen und gehe hinüber ins Servicehaus. Aus unsichtbaren Lautsprechern klingt ein dänischer Sender. Die Zähne putze ich zu Lady Bump und ahme im Takt Penny McLeans coolen Bump-Tanz nach. Als der Song 1975 herauskam war ich 13 und mein ganzer Stolz war eine raubkopierte Musikkassette aus Thailand mit diesem Song. Meine Güte, waren wir jung. Inzwischen ist Penny siebzig, ich fünfundfünfzig und Musikkassetten gibt es schon lange nicht mehr.

Bevor die Gedanken an meine verlorene Jugend und längst verklungene Popsongs mich melancholisch machen, marschiere ich energisch zurück und mache mich daran, das Lager abzubrechen. Pieps hat schon angefangen und alle möglichen Sachen aus dem Zelt heraus gezerrt. Mein Snoopy Nachthemd liegt zerknüllt im Gras.

Nichts vertreibt trübe Gedanken so zuverlässig, wie eine hyperaktive, fröhliche Maus. In Windeseile wird alles gepackt und die schlanke, hochbeinige 250er Enduro ist startklar. Der neue Helm ist noch ungewohnt und ich fummele eine Weile an meinem Hals herum, bis ich den Verschluss zubekomme.

Langsam tuckere ich vom Campingplatz hinunter nach Thisted hinein. Kurz hinter dem Motorradhändler gibt es eine große SHELL-Station. An der Rückseite der Tanke stehen Tische und Stühle mit Blick auf Thisted Havn. Da will ich frühstücken.

Frühstück in der Sonne

An dem kleinen Bäckertresen im Laden lasse ich mir zwei Brötchen aufschneiden und dick mit gesalzener dänischer Butter beschmieren. Ich liebe diesen Geschmack von gesalzener Butter auf knusprigem Brötchen. Pieps möchte ein Bøfsandwich med Sovs, aber das haben sie zum Frühstück glücklicherweise noch nicht.

Nördlich des Limfjord wird die Landschaft eintönig und öde. Ein böiger Wind pfeift über das flache Land und obwohl es nicht kalt ist, fröstele ich ein wenig. Die Etappe bis in die nächste Stadt sitze ich stumpf ab und hänge dabei meinen Gedanken nach.

Motorrad auf der Landstraße

In Dänemark werden etwa 20.000 Hektar Energie-Mais zur Strom- und Wärmeerzeugung in Biogasanlagen angebaut. Der Großteil der Ernte wird nach Deutschland exportiert, die Dänen betreiben ihre Anlagen mit Gülle. Der unstillbare Appetit riesiger Anlagen nach Biomasse hat das Landschaftsbild verändert. Mitte September sollten die Felder längst abgeerntet und kahl sein, aber wo früher Stoppelfelder waren, steht heute der Mais fett und saftig auf den Felder. Dahinter die allgegenwärtigen Windparks.

Mais, Biogas, Windenergie

In Kettrup ist es Zeit für eine Pause. Ich fahre mit dem Motorrad ein Stück von der Landstraße hinunter und vertrete mir die Beine. Von hier habe ich einen schönen Blick auf Kettrup Kirke. Ich mache ein Foto, trinke einen Schluck Wasser und fahre weiter.

Kettrup Kirche

Gegen Mittag erreiche ich Løkken, einen der schönsten Badeort an der dänischen Nordsee. Es ist Samstag und die Innenstadt ist voller Touristen. Das Einzige was mich von ihnen unterscheidet, sind die schweren Motorradklamotten. Pieps hingegen fällt in ihrem Hello-Kitty Kleid unter all den Sommerfrischlern überhaupt nicht auf.

Løkken Badehotel

Wir stiefeln über den Marktplatz vorm Løkken Badehotel und folgen dem Duft der Fritteusen bis in die Alte Meierei, die längst zu einem Fast Food Tempel umgebaut wurde. In Dänemark wird alles, aber auch wirklich jedes Stück Fast Food durch eine Fritteuse gezogen. Sogar halbe Hähnchen werden darin gesotten, bis sie so knusprig sind, dass man selbst die Flügel mitessen kann. Ich liebe das.

In der Meierei bestelle ich ein Ribbesandwich und setze mich mit Pieps nach draußen in die Sonne. Dieser fette Burger mit Rotkohl und Knusperbauch ist die Entdeckung der Reise. Kurz darauf sitzen Pieps und ich wieder zufrieden auf dem Motorrad und fahren weiter Richtung Norden.

Dänemark Skiveren Camping

Bis nach Skagen sind es bloß noch 40 km, aber so weit werden wir heute nicht fahren. Ich habe einen Zeltplatz am Strand in Skiveren gefunden. Dort legen wir morgen einen Jokertag ein und machen einen Tagesausflug an die Nordspitze.

Die Straße raus nach Skiveren ist im Grunde nur ein asphaltierter Feldweg. In Schweden und in Litauen wäre dies bloß eine Piste mit grobem Schotter. Ein Wegweiser zeigt nach links zum Campingplatz und genau drei Minuten später endet die Straße und ich stehe mit der Enduro auf dem Strand.

Wenn ich links abbiege, könnte ich fast die gesamte Jammerbucht am Strand zurückfahren bis Løkken. Alles auf dem Strand und einen großen Teil davon völlig legal. Am besten fährt man dort, wo sich die Wellen überschlagen und der Sand ganz fest ist. Selbst die derben Stollenreifen hinterlassen kaum eine Spur und mit der nächsten Welle ist sie wieder verschwunden.

Vor 30 Jahren bin ich hier mit meinem Jeep am Strand gefahren. Hinten im Wagen stand meine Freundin Anke und hat gejuchzt vor Freude, wenn ich durch die Priele geheizt bin und das Wasser hochgespritzt ist.

Motorrad am Strand

Bin das wirklich ich gewesen, die damals am Steuer saß? Kaum zu glauben, ich bin so schrecklich vernünftig geworden. Heute denke ich dauernd über die Konsequenzen nach, damals habe ich einfach gemacht. Wann hat das eigentlich aufgehört?

Bevor ich weinerlich werde, fallen mir ein paar Aktionen der letzten Jahre ein, bei denen ich vorher kein bisschen nachgedacht habe, obwohl es vielleicht besser gewesen wäre. Einige davon auf meiner Reise nach Masuren, die sehr spannend war und vermutlich die billigste, die ich je gemacht habe.

Skiveren Camping ist einer der großen 4-Sterne Premiumplätze direkt am Meer. Gewöhnlich würde ich solch einen Platz meiden, wie der Harleyfahrer den Klapphelm, aber zum Ende der Saison ist der Platz ein Paradies: Er hat die modernsten und besten Waschhäuser, es gibt einen Supermarkt, Restaurant, Bäckerei, einen Schlachter und ein Café und dazu die aller­schönsten Spielplätze, aber keine Kinder. Kurzum: Wo es in der Hauptsaison unerträglich ist, findet man jetzt perfekte Ruhe und Erholung.

Skiveren Camping

Die Rezeption ist groß und modern wie eine Hotellobby. Ich erfahre, dass der Platz zum nächsten Wochenende schließt und es im Supermarkt 50% auf alle Eis am Stiel gibt. Eine gewisse Maus, die sonst nie richtig zuhören kann, dreht vor Freude völlig durch. Der junge Typ hinterm Tresen grinst mich hämisch an. Ich wette, er hat keine Kinder.

Dafür darf ich mir den perfekten Platz aussuchen, eine große Parzelle, die von drei Seiten mit Knick umrandet ist und einen eigenen Picknickplatz hat. Das Grün ist perfekt und ich baue in Ruhe das Zelt auf, während Pieps mit den Resten ihres Taschengelds zum Supermarkt flitzt.

Zelt aufbauen

Außer uns sind nur ein paar Übriggebliebene auf dem Platz verstreut, die meisten von ihnen Dauercamper, die ihre Wagen und Zelte abbauen und erst im März wiederkommen, wenn Skiveren Camping die Saison eröffnet.

Ein Mann, der mit jener endlosen Ruhe, wie sie für viele Dänen typisch ist, sein Vorzelt sauberwischt, erzählt mir von dem kleinen Café, das morgen seinen letzten Tag hat, bevor es über den Winter schließt. Die Waffeln dort sollen vorzüglich sein und wenn ich eine möchte, dann soll ich mich beeilen.

Auf dem Weg ins Café sammele ich Pieps ein, die vorm Købmand auf einem Holzpferd sitzt und selig ein Eis schleckt. Das Wievielte? Ich frage besser nicht.

Im Café sind sie beinahe erstaunt, dass überhaupt noch jemand kommt, aber der Koch eilt sofort in die Küche, um eine Waffel für uns zu backen. Es ist unglaublich, wie ähnlich er dem Smørrebröd Koch aus der Muppet Show sieht. Bis auf die pinkfarbene Fliege stimmt jedes Detail, sogar der Schnauzbart. Das kann nur Absicht sein.

Aus der Küche ist kurz darauf das typische Geräusch von Schneebesen auf Edelstahl zu hören. Die machen die Waffel tatsächlich frisch, kein Wunder, dass sie solch einen guten Ruf haben.
Platzhalter Platzhalter
Nach ein paar Minuten ist es der Koch höchstpersönlich, der den Teller mit der Waffel vor mich hinstellt. Ich versuche ganz bewusst nicht an die Muppet Show zu denken, um nicht aus der Rolle zu fallen, aber ein Grinsen kann ich mir nicht verkneifen.

Zu der knusprig gebackenen Waffel gehören eine Kugel Vanilleeis und dieser schneeweiße, zuckersüße Schaum, mit dem Negerküsse gefüllt sind. In der Küche steht eine Riesenschale davon. Wie viele Dickmanns muss man schlachten, um eine ganze Schüssel voll zu kriegen? Tausend? Und was machen sie mit den kleinen Waffeln, die unten drunter sind?

Pieps mit Eis, Waffel und Kaffee

Pieps ist ganz hingerissen, aber mir ist das alles zu klebrig süß und ich halte mich an den Kaffee und an ein Stück von der Waffel.

Am Boden der zweiten Tasse Kaffee wandern wir zurück zu unserem Zelt. Ich setze mich an den Picknicktisch und öffne eine Dose von dem herben dänischen Bier, um die klebrige Süße loszuwerden. Es ist ein perfekter Tag, das Wetter, das Motorradfahren, der Zeltplatz, einfach alles, und doch kann ich fühlen, dass meine Mundwinkel nach unten zeigen. Ich muss an Papa denken und krieg die Bilder vom Begräbnis nicht aus dem Kopf. Es ist gut, dass ich diese Reise mache.

Svenja am Picknicktisch vorm Zelt

Später sitzen Pieps und ich am stilvoll gedeckten Tisch und essen Entrecote. Das Fleisch ist gut, aber heute kommt keine rechte Begeisterung für das Essen auf und nach dem letzten Bissen räume ich ab und gehe abwaschen.

Die Sonne geht früh unter und taucht die Natur in ein warmes, herbstlich goldenes Licht, aber sowie die letzten Sonnenstrahlen verschwunden sind, kriecht die Kälte über den Platz.

Wollgras

Es sind bloß noch 10°, als Pieps und ich in unserem schönen Zelt verschwinden, ich mein Snoopy Nachthemd anziehe und wir beide uns tief im kuscheligen Schlafsack verkriechen. Von irgendwo her ist das Geräusch eines Würfelbechers zu hören und ab und zu schallt ein Lachen zu uns rüber.

Morgen werden wir uns Skagen ansehen und Råbjerg Mile und die Tilsandede Kirke. Und wir werden Stjerneskud essen und überhaupt einen ganz wunderbaren Tag haben und vielleicht können wir abends ... brrrRrrr... bzzzZzzz...

zum nächsten Tag...

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Das war im Grunde ein völlig ereignisloser Tag, aber vielleicht macht gerade das die Erholung im wunderschönen Dänemark aus. Alles ist so unaufgeregt und ruhig. Wie das Ticken einer Großvateruhr. Ich liebe es, hier zu sein.


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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.