Inhaltsverzeichnis
Deutschland
Tag 1: Kiel - Havelberg
Tag 2: Havelberg - Bad Schandau
Tschechien
Tag 3: Bad Schandau - Ostas
Tag 4: Ostas - Kemp Bozenov
Tag 5: Bozenov - Reingers
Österreich
Tag 6: Reingers - Zwiesel
Deutschland
Tag 7: Zwiesel - Halle
Tag 8: Halle - Lanzer See
Tag 9: Heimkehr und Fazit
Motorradreise Tschechien
Platzhalter Motorradtour Tschechien
Platzhalter Tankquittung
Platzhalter Edeka Kassenbon quittung
Platzhalter Biergarten Quittung
Platzhalter Reisekasse Motorradtour
Platzhalter


Von der Saale an die Elbe

Als ich die Nase aus dem Zelt stecke, liegt noch Nebel über dem Fluss und die Sonne ist gerade erst aufgegangen. Es verspricht ein herrlicher Tag zu werden, aber ich kann spüren, dass der Herbst jetzt nicht mehr weit ist.

Saale Camping Kloschwitz

Der schmale Grasstreifen am Flussufer ist ein toller Platz zum Zelten und ich würde jederzeit wieder herkommen, auch wenn das Waschhaus ziemlich örkselig ist. Schon weil es solch einen Heidenspaß macht, Kloo_Schwitz zu sagen und sich dann von den Kloschwitzern korrigieren zu lassen. Jedesmal wieder...

Schloss Friedeburg Saale

Auf Landstraßen dritter Ordnung geht es zwischen Wiesen und Feldern an der Saale entlang. Ich mag diese klassischen Landstraßen, auf denen noch nicht jeder Kilometer bis zur Perfektion für Audi A6 Fahrer in blauen Oberhemden begradigt wurde.

An einer Brücke überquere ich die Saale und fahre nach Könnern hinein. An diesem herrli­chen Morgen brummt die Stadt vor Menschen, die Einkäufe und Besorgungen erledigen, ein- und ausparken, Fahrrad fahren, oder Kinderwagen schieben.

Vor der Stadt­bäckerei stehen Tische und Stühle auf dem Gehsteig und Minuten später sitze ich bei einem kleinen Frühstück und schaue dem Treiben zu.

Frühstück

An solchen Tagen könnte ich die Menschen lieben, und nicht an ihnen verzweifeln wie sonst, wenn ich jeden Tag erlebe, wozu die Biester fähig sind. Mein Beruf bietet einen einseitigen Blick auf die Gesellschaft und ich bin erstaunt, wie diese Resignation jedesmal schon nach wenigen Urlaubstagen verblasst und ich sie wieder mögen könnte. Trotzdem werden Pieps und ich die nächsten hundert Jahre erstmal allein bleiben; vorsichtshalber.

Noch bevor ich den Kaffee ganz ausgetrunken habe, stehe ich auf und fahre weiter. Ohne Sonnenschirm halte ich es nicht mehr aus. Ich mag Sonne, aber eher als stiller Beobachter im Schatten, und nicht wenn sie mir direkt auf die Haut brennt.

Bei Könnern fahre ich auf die Autobahn und folge der BAB 14 in Richtung Magdeburg bis zu ihrem Ende. Seit einigen Kilometern leuchtet die orange Reserveleuchte und im Cockpit blinkt es hektisch FUEL - FUEL. Auf diesem Autobahnstück gibt es keine einzige Raststätte und allmählich werde ich unruhig.

Schließlich endet die Autobahn und mündet in die B 71. Haldensleben 13 km steht auf einem Schild und ich bin mir fast ein bisschen sicher, dass ich das noch schaffen kann. Inzwischen fahre ich nur noch 80, um das Benzin zu strecken.

Als ich endlich das rettende Ortsschild erreiche, zeigt der Kilometerzähler 221 km und ich bin heilfroh, die bunten Fahnen der Agip Tankstelle zu sehen. Etwas mehr als sieben Liter Benzin tanke ich nach, bevor die Zapfpistole mit einem Klacken abschaltet. Also hab ich mir ganz umsonst Sorgen gemacht, weil noch fast ein halber Liter im Tank war. Manchmal bin ich so ein Mädchen...

Motorradfahren

Die Gegend um Gera, Halle und Bitterfeld ist nicht so prachtvoll, aber dennoch erlebe ich gerade einen der schönsten Motorrad Fahrtage, an die ich mich erinnern kann. Das liegt an mir selbst und natürlich am Wetter. Es ist der 5. September und sonnige 27° C warm und ich bin so ausgeglichen und zufrieden, dass ich jeden Augenblick genieße.

Romanische Kirche Winterfeld

Hansestadt Salzwedel steht auf dem Ortsschild. Wie soll das denn gehen, die haben ja nicht mal einen Hafen? Der Titel Hansestadt wird neuerdings mit der Gieskanne vergeben. Wenn das so weiter geht, denke ich amüsiert, werden die eines Tages noch Buxtehude und Lüneburg zu Hansestädten ernennen.

Nun gut, denke ich, die Hanse war ein Bund von Kaufleuten und einkaufen muss auch ich, sonst bleibt heute abend die Küche kalt. Ich parke die Enduro vor einem Edeka Laden, schnappe mir einen Korb und mache mich auf die Suche nach meinem Abendessen.

Oh ja, Bratwurst mit Senf, ein weiteres Gericht auf meiner unüber­sichtlich langen Liste von Lieblings­gerichten. Dazu kaufe ich eine kleine Flasche Merlot, ein Brötchen, ein paar Kaminwurzen und ein Töpfchen Kohlrabi-Gurkensalat.

An der Kasse bin ich überrascht, wie billig der Einkauf geworden ist. Für die Bratwürste werden nur 2,49 Euro aufgerufen, unfassbar günstig, dabei sind es frische Rohbratwürste, die mir schon jetzt ein Loch in die Tasche brennen, weil sie so lecker aussehen. Es wird Zeit, dass ich zum Campingplatz komme.

Landstraße Allee

Wenn ich richtig rechne, sind es nur noch 90 km und heute habe ich ein Heimspiel: Ich zelte auf dem Campingplatz Lanzer See direkt am Elbe-Lübeck Kanal, ein wunderbarer Platz, ich liebe ihn. Er ist persönlicher Rückzugsort und Lieblingsplatz für sonnige Wochenenden, wenn ich das Verlangen habe, im Gras vor meinem Zelt zu sitzen, Fleisch zu braten, zu lesen, zu dösen und einfach nur zu sein.

Elbe Fähre

Bei Neu Darchau endet die Straße am Anleger der Elbfähre und ich warte geduldig im Sonnenschein, bis die Fähre anlegt und ich aufs Schiff fahren darf. Wie anders, wieviel lieblicher die Landschaft, das Wetter und das Wasser sind, als ich das in Norwegen erlebt habe, wo alles so wild, rau und unwirtlich war.

Wiedervereinigung Grenze

Schließlich erreiche ich das Tor zum Campingplatz und rolle auf der Zeltwiese aus.

Gasthaus Camping Lanzer See

Inzwischen sind es 28° C und ich schwitze mich halb tot, als ich beginne, das Lager zu errichten. Ganz langsam, den Puls bloß nicht über 60 Schläge kommen lassen.

Ich ziehe mich im schwitzig heißen Zelt um und habe Mühe, mir die Motorradhose von der klebrigen Haut zu ziehen. Ist das ätzend, manche Dinge waren früher wirklich unkomplizierter.

Zelt und Motorrad in der Sonne

"Weil ich ein Mädchen bin...", singe ich fröhlich vor mich hin, während ich auf Ballerinas zum Biergarten schlendere. Meine Güte, gehts mir gut. Wann war ich jemals so jung, so gesund und so glücklich?

Pieps und ich setzen uns an einen Tisch im Schatten und ich bestelle Kaffee und Kuchen. Natürlich gibt es wieder Drama, Drama, Drama, als Pieps erfährt, dass es nur noch Apfel- und keinen Kirschkuchen mehr gibt, aber zur Besänftigung ordere ich eine Extraportion Sahne für die Maus und ein Becks für mich.

Auf der Quittung taucht merkwürdigerweise trotzdem Kirsch auf, aber das bemerke ich erst zu Hause, als ich die Quittungen für den Reisebericht scanne.

Kaffee und Kuchen

Zurück am Zelt notiere ich einen weiteren Punkt für meine Sammlung Tipps und Tricks in mein Tagebuch: Im Herbst nicht unter riesigen, dicht behangenen Eichen zelten. Hmpff...

Zelt und Motorrad Schlafsack Isomatte

Nach dem Besuch im Biergarten wird es Zeit für ein Nickerchen. Ich ziehe die Isomatte vors Zelt und lege mich unter die große Eiche in den Schatten. Von Zeit zu Zeit fällt mir eine Eichel auf den Dötz, aber das hindert mich nicht daran, selig einzuschlummern.

Als ich wieder wach werde, ist die Sonne weg und es wird Zeit fürs Abendessen. Außer den beiden mickerigen Brötchen heute morgen und einem kleinen Stück Apfelkuchen habe ich heute noch nichts gegessen.

Das Besondere an echten Thüringern ist der rohe Teig, denn anders als andere Würste, sind diese nicht gebrüht. Ich schneide sie schräg ein und lege sie ins heiße Fett, wo nach kurzer Zeit der Teig herausquillt.

Während das Abendessen in der Pfanne brutzelt, mampfe ich mit Brotstücken den Senf aus dem Töpfchen. Er ist so mild und aromatisch, dass man ihn essen kann wie einen Joghurt.

Bratwurst mit Senf

Mit dem letzten Bissen nehme ich das Spülmittel und den Schwamm und gehe mit dem schmutzigen Geschirr in die Spülküche. An einem der Becken steht eine junge Frau allein vor einem riesigen Berg dreckigem Geschirr. Hat die eine Wette verloren, frage ich mich, denn der Abwasch entspricht in etwa dem einer türkischen Hochzeit?

Geschirr spülen Campingplatz

Ich bin glänzender Laune und versuche der Spülfee ein Gespräch aufzuzwingen, aber an ihren einsilbigen ja/nein/hmm scheitere ich kläglich und gebe frustiert auf.

Jetzt komme ich mir richtig doof vor. Warum spreche ich immer wieder Menschen an, anstatt, wie andere auch, stumpf und dumpf, wortlos nebeneinanderher pupsend meinen Kram zu erledigen?

Vielleicht hat sie auch nur schlechte Laune, weil sie alleine den ganzen Abwasch machen muss, ich hätte sie jedenfalls. Als ich fertig bin, nehme ich mein Geschirr und schlurfe wortlos aus der Küche; ich lerne schnell.

Das Geschirr stelle ich am Zelt ab, nehme mein Tagebuch und das Kindle und gehe hinüber zum Kiosk. Hier sitze ich gerne, weil es Spaß macht, die Camper zu beobachten, die sich Pommes, Cola oder Süßigkeiten holen.

Bierglas kaltes Bier

Ich gönne mir eine Tüte M&M's und ein Glas Hasseröder und setze mich an einen Tisch, wo ich in den letzten Strahlen der Abendsonne den Reisebericht fortschreibe. Morgen abend schlafe ich schon wieder zu Hause in meinem Bett.

Zelt in der Nacht

Als es dunkel ist, liege ich mit Pieps im Schlafsack und lese eine fesselnde Geschichte mit Raumschiffen. Das habe ich schon als Kind so geliebt, mit der Taschenlampe im Bett zu liegen und etwas Spannendes zu lesen mit Agenten, Indianern, Außerirdischen oder Piraten.

Das ist das Schöne am Erwachsensein, man kann solange aufbleiben wie man will, im Bett lesen, ohne Angst, erwischt zu werden und dabei sogar Süßigkeiten essen und Bier trinken. Oh, ich liebe dieses Leben...

zum nächsten Tag...

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Nun bin ich fast wieder zu Hause, nur noch ein Mal schlafen. Morgen bin ich wieder in Kiel und dann gibt es noch ein kurzes Fazit der Reise. Tschechien, das ist schon was...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.