Ankunft in Irland
Frühnebel schwebt geisterhaft über The Meadow, als ich vom Waschhaus zurückkomme und anfange, das Lager abzubrechen. Das Zelt ist noch nass vom Tau. Heute abend werde ich es schon in Irland aufbauen. Wie es dort wohl sein wird?
Nach wenigen Meilen erreiche ich Brecon. Ein malerisch hübscher Ort. Ich würde gerne einen Kaffee trinken, aber leider finde ich keinen Tea Room, der so früh schon geöffnet hat. Ich fahre weiter.Kurz vor Llandovery entdecke ich am Straßenrand einen der mobilen Imbisswagen, wie sie so typisch sind für Großbritannien. Mit viel Fantasie, noch mehr Bratenfett, Bacon und Sausages, aber ohne ein einziges Blatt Salat, werden dort die unglaublichsten Kalorienbomben hergestellt, die jeden Kardiologen zur Verzweifelung treiben dürften.
Den Kaffee schenkt er stilecht in einen Becher mit dem Foto Giacomo Agostinis darauf, dem 15-fachen Motorrad Weltmeister, der mit seiner MV Agusta ein Held meiner Kindheit war.
Inzwischen duftet es nach Bratenfett und erste Rauchschwaden qualmen aus dem Hänger. Ein letztes Mal wenden, brutzeln, braten und meine Roll ist fertig.
"You want sauce on it?", "Yes, a little brown sauce, please." Der Koch gibt einen Spritzer HP Brown Sauce auf die Bratwürste, klappt das Brot zu und gibt mir die große Bacon and Sausage Roll in einer Serviette auf die Hand.
Ein fluffig weiches Brötchen mit einer Doppelschicht gebratenem Speck und darauf einer Lage Bratwürste. Das ganze Biest ist so weich und lappig, dass ich es mit dem Mund an der Tischkante abbeißen muss.
Ein weiteres englisches Lieblingsgericht, irgendwo zwischen Black Pudding, Baked Beans, Shepherd's Pie und Haggis. Mit diesem Frühstück im Bauch düse ich weiter in Richtung Pembroke, wo ich die Fähre nach Irland nehmen werde.
In Llandovery halte ich bei einem kawagrünen The co-operative mit dem Zusatz bwyd. Das ist walisisch und bedeutet Lebensmittel. Weil mein Schiff erst abends in Irland ankommt, will ich mich schon jetzt mit Vorräten versorgen.
The Maypole Dairy Diner wirkt etwas heruntergekommen und hat vermutlich auch nie bessere Tage gesehen. Hinter dem Tresen steht eine alte Dame mit silbernem Haar, die ein wenig an Maggie Thatcher erinnert. Ich bestelle Kaffee. Maggie nimmt die 1,5 kg Dose Maxwell vom Regal, schaufelt zwei gehäufte Löffel in einen Becher und gießt heißes Wasser darauf.
"You want Cream on it?", fragt sie, Sahne darauf? "No, thanks", ganz sicher nicht, lehne ich entrüstet ab, bezahle und trage Becher und Teller an einen Fensterplatz.
Was ich für Schokokuchen gehalten habe, ist Toffee. Ich habe keine Übersetzung dafür, aber es ist total klebrig süß und irgendwie eklig. Nach zwei Bissen habe ich genug. Pieps dagegen ist begeistert und hämmert sich den süßen Blubberlutsch mit Feuereifer in die kleine Figur.
"Where are you from?", beugt sich neben mir eine alte Dame aus dem geöffneten Fenster ihres Toyota und sieht mich mit wachen Augen neugierig an. "From Germany on my Way to Ireland", erwidere ich freundlich. Es entwickelt sich eine angeregte Unterhaltung und ich erfahre, dass sie aus Irland kommt und ihre ganze Familie, vom Großvater, Vater, den Onkeln bis zu den beiden Brüdern, alle Polizisten sind.
Wir reden, lachen und scherzen, bis ein Hafenarbeiter die Absperrung zur Seite zieht und das Boarding beginnt. Die Lady dreht sich kurz in den Innenraum ihres Autos und kommt mit einer Flasche Wasser in der Hand wieder zum Vorschein. "Please, take it", macht sie mir die Selters zum Geschenk. "Oh, thank you. See you later", sage ich noch, bevor ich den Gang einlege und die Rampe zum Schiff emporfahre.
Viereinhalb Stunden wird die Fahrt nach Irland dauern und die Isle of Inishmore ist mit allen Annehmlichkeiten ausgestattet, um sich die Zeit zu vertreiben. Nach einer Stunde habe ich mir alles angesehen und gehe in die Motorist's Club Lounge, wo es eine Bar, einen Großbildfernseher und einen tollen Panoramablick auf die See gibt.
Mit einer Tasse Kaffee setze ich mich in einen der roten Clubsessel und sehe fern. Auf Channel 4 läuft Deal or no Deal, eine Gameshow, die so simpel ist, dass sich das komplette Regelwerk auf die Rückseite einer Briefmarke schreiben ließe.
An einem Tisch weiter vorn sitzen fünf irische Hausfrauen, die sich nach allen Regeln der Kunst mit Guinness zuschütten. Ihr kreischendes Gelächter übertönt sogar den viel zu laut eingestellten Fernseher. Es sind überhaupt auffallend viele engagierte Trinker an Bord.
Allmählich werde ich müde und mache mich auf die Suche nach einem Platz für ein Nickerchen. In einer ruhigen Lounge entdecke ich einen bequemen Sessel und bin nach wenigen Augenblicken eingeschlafen.
Plötzlich schrecke ich auf. Vor mir steht ein kleiner Junge mit unglaublich roten Haare, ein bemerkenswert hässlicher Fratz, und macht sich einen Spaß daraus, mich zu erschrecken, indem er sich genau vor mich stellt, mich anglotzt und eklige Geräusche macht. Ich hasse ihn.
Nachdem ich das dritte Mal aus dem Schlaf geschreckt bin, stehe ich entnervt auf und suche mir einen anderen Platz. "Look, Ma. The Lady's leavin'", ruft der kleine Kacker in Richtung seiner stolzen Eltern. Eigentlich ein süßer kleiner Kerl. Ich mochte ihn auf Anhieb.
Die Nacht kostet 7 € und als ich den 5 € Schein und zwei Münzen auf den Tresen lege, finde ich es sehr merkwürdig, hier mit dem selben Geld zu bezahlen, wie in Kiel. Praktisch, aber irgendwie unromantisch.
Es sind Momente wie dieser, in denen ich total glücklich bin und genau weiß, weshalb ich das alles mache mit dem Motorrad und dem Zelt, dem Frieren und dem Schwitzen, den Mücken und dem Regen. Hoffentlich kann ich das noch viele Jahre machen, bevor ich zu alt dafür bin.
Ich krabbele in den viel zu warmen Daunenschlafsack, lese noch ein paar Seiten und werde hoffentlich wie immer so unglaublich gut, fest und erholsam schlafen, wie ich das im Zelt fast immer tue. Gute Nacht, Welt.
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