Inhaltsverzeichnis
Frankreich 2023
Tag 1 Kiel - Bad Pyrmont
Tag 2 Bad Pyrmont - Dausenau
Tag 3 Dausenau - Wingen-s/Moder
Tag 4 Wingen - Camp Hautoreille
Tag 5 Jokertag im Camp Hautoreille
Tag 6 Parc Morvan, Camp Le Paroy
Tage 7/8 Jokertage im Camp
Tag 9 In die Auvergne
Tage 10/11 Auvergne-Tarnschlucht
Tag 12 Zur Quelle des Tarn
Tag 13 Gorges du Tarn bis Ambialet
Tag 14 Tarn bis Moissac
Tag 15 Moissac - Périgord
Tag 16 Jumilhac-le-Grand
Tag 17 Am Canal de Berry
Tag 18 Nevers - Accolay
Tag 19 Tonnerre - Froncles
Tag 20-23 Heimreise
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Gendarmerie Nationale

Es ist kurz nach sechs. Die Sonne ist gerade erst auf­ge­gangen. Ich sitze verschlafen im offenen Zelt und warte darauf, dass mein Kaffeewasser heiß wird. Zuerst muss ich einmal richtig wach werden, bevor ich das Zelt abbauen und alles auf dem Motorrad verstauen kann. Pieps ist dabei selten eine Hilfe.

Motorradtour nach Frankreich

Die Boulangerie Mitterrand in Charenton-du-Cher ist an diesem Morgen schon gut besucht. Gerade kommt eine ältere Dame aus dem Laden, den Arm voller Baguettes. So eines möchte ich auch. Ich stelle die Honda auf dem Parkplatz gegenüber ab und gehe in die Bäckerei.

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Am liebsten mögen Pieps und ich das Baguette Tradition française. Die sind splitternd knusprig und haben einen etwas intensiveren Geschmack als normale Baguettes.

Als ich dran bin, zeige ich auf ein besonders knuspriges Exemplar: „Une Baguette Tradition, s'il vous plaît.“ Die Bäckersfrau nimmt eines und fragt, ob sie es durchschneiden soll. Sie hat wohl das Motorrad gesehen. „Oui. volontier“, ja, gerne. Jetzt passt es sogar in den Tankrucksack.

Neben der Bäckerei steht das Café le National. In so einem haben Pieps und ich vor Jahren einmal gefrühstückt. Das war in Villefort.

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Schon da kam mir das Publikum teils merkwürdig, teils aber auch ganz normal vor, und bis heute bin ich nicht sicher, ob ein Café le National ein handelsübliches Café ist, oder ein Treff für alte Algerienkämpfer in Flecktarn, die beim Pastis vom Front National schwärmen. Vielleicht heißt es aber auch bloß so, wie es heißt, weil es in der Rue Nationale steht.

Das halbierte Baguette verschwindet im Tankrucksack und wir fahren weiter. Die Morgensonne strahlt über uns und es ist auf angenehme Weise noch etwas kühl. In Tonnerre ist heute Wochenmarkt. Den lassen wir uns nicht entgehen.

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Gerade als ich das Motorrad abgestellt habe und auf den Markt gehen will, kommt ein alter Herr auf mich zu. Er trägt einen hellen Leinenanzug und unter seinem Hut schauen weiße Haare hervor. Ein ausnehmend gut gekleideter und attraktiver älterer Monsieur.

Er spricht mit ruhiger Stimme zu mir, ich verstehe aber nur „Moto“ und „Bénédiction“ Dabei berührt er mich sanft am Arm und sieht mich gütig an. Dann geht er weiter. Bin ich etwa gerade gesegnet worden? Ich glaube ja und bleibe einigermaßen überwältigt zurück.

Noch unter dem Eindruck dieses ungewöhnlichen Reisesegens schlendere ich auf den Markt. Am Verkaufsstand einer Charcuterie köchelt in einer offenen Pfanne Linsensuppe mit dicken Würsten.

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Suppe kann ich auf dem Motorrad schlecht mitnehmen, aber der Metzger hat noch andere appetitliche Ferkeleien an seinem Stand. In einer Schale steht frisch gebratenes Schweinefleisch. Es ist noch warm.

„Deux, s'il vous plait“, sage ich und zeige auf das Fleisch. Er greift mit seiner großen, haarigen Pranke in den Topf und holt zwei Stücke heraus. Keine Gabel, keine Handschuhe. Mir gefällt das, es ehrt das Lebensmittel als etwas Natürliches und Kostbares. In OP-Handschuhen serviertes Essen wirkt weniger appetitlich, so als wäre damit etwas nicht in Ordnung. Zufrieden verstaue ich die Beute im Tankrucksack neben dem Baguette und fahre weiter.

Der nächste Ort ist Apremont-sur-Allier. In Frankreich heißen Orte, die an einem Fluss liegen immer ...sur-Flussname, aber ich glaube, man kann den Fluss auch weglassen und nur Apremont sagen, denn manche Ortsnamen werde sonst ungebührlich lang.

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Auf der Uferpromenade stehen alte Häuser mit Blick auf den Fluss und überall wuchert, wächst und gedeiht es. An einer antiken Hausmauer blühen Kletterrosen in die Höhe. Meine Güte, ist das malerisch. Allein in Apremont könnte ich einen kompletten 36er Farbfilm verschießen.

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Am Ende des Dorfes verläuft die Allier neben dem Canal Latéral à la Loire. Das alte Haus des Schleusenwärters steht verlassen im Kraut und verwittert auf die denkbar stilvollste Weise.

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Auf einer Tafel am Fluss sind Fische abgebildet und es steht etwas über einen Saumon. Klingt wie eine Figur aus Herr der Ringe, aber es sind wohl bloß Lachse. Überhaupt gibt es auf verschiedenen Tafeln viel zu lesen, aber alles steht nur auf Französisch und dafür kann ich es nicht gut genug.

Die Straße führt noch eine Weile am Ufer des Canal Latéral à la Loire entlang, bis wir an eine große Route Départementale kommen und ich wieder Fahrt aufnehme.

Nach vier Kilometern erreiche ich die Stelle, wo der Canal Latéral die Loire überquert. Von unten sieht die Brücke aus wie ein beliebiges Viadukt, aber tatsächlich ist es eine große Wanne voller Wasser, in der Schiffe die Loire überqueren können.

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Ich stelle die Honda bei der Schleuse Du-Guétin ab und gehe über die Straße, um mir das Spektakel anzusehen.

Ein schnittiges, weißes Sportboot wird gerade durchgeschleust. Auf einem Schirm an Deck steht der Name des Vermieters Les Canalous. Hausboot­touren sind in Frankreich eine große Sache. Es gibt ein schier unendliches Netz aus Kanälen und Flüssen und vor allem darf man sie ohne Boots­führer­schein fahren.

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Es ist eine tolle Sache, mit dem Hausboot auf Tour zu gehen, aber ich habe ja schon ein Hobby. Warum soll ich etwas Neues machen, wenn ich ebenso gut etwas machen kann, das ich schon kann? Endurowandern mit Zelt und Bratpfanne! Ich bleibe wohl für immer ein One-Trick-Pony, das ständig bloß den einen selben Trick aufführt, doch mir gefällt es so.

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Ich sehe noch zu, bis das schnittige weiße Boot sich freigeschwommen hat und in den Pont Canal gleitet. Es macht Spaß zuzusehen, aber die bisher interessanteste Schleusentreppe war nicht etwa die am Göta Kanal in Schweden, oder die Rollberge vom Elblagkanal in Masuren, sondern die Kanalschleuse in Fort Augustus in Schottland. Auch wenn das Wetter da mehr als nur beshicen war.

Auf einer Brücke über die Loire, für die der erste Stein schon 1767 gesetzt wurde, rollen wir nach Nevers hinein. Der Ort bietet eine mittelalterliche Kulisse, die eindrucksvoll anzusehen ist. Mittendrin thront die Kathedrale Saint-Cyr-et-Sainte-Julitte und strahlt erhaben in der Sonne.

Man wäre nicht erstaunt, würden plötzlich d’Artagnan und die Musketiere, Athos, Porthos und Aramis durchs Bild reiten, die Degen gezückt, die Mäntel weit wehend im Wind.

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Tun sie aber nicht. Stattdessen rollt ein nagelneuer Renaul Mégane in Vollausstattung durchs Bild und macht den schönen Tagtraum kaputt.

Bevor ich wieder in die Einsamkeit des ländlichen Frankreich hinaus­fahre, will ich volltanken und Luft prüfen. Da vorne ist eine Tankstelle. Ich schalte runter und fahre unters Dach der Station.

Sie haben einen dieser neuen Luftprüfer, die man immer häufiger sieht, seit die kleinen mobilen Dinger ständig geklaut wurden. Dieser sieht aus wie ein mannshoher Kühlschrank mit Knöpfen und einem Schlauch. Und einem Bezahlterminal, denn Luft kostet hier 50 Cent. Man kann bar oder mit Karte zahlen.

Während ich noch neben der Honda knie, nur um festzustellen, dass mit dem Luftdruck alles in Ordnung ist, rollen zwei dunkelblaue BMWs an die Tanksäule. Motorradpolizisten der Gendarmerie Nationale. Als Teil der französischen Streitkräfte unterstehen sie dem Verteidigungs­ministerium. Ob die wohl in der Stimmung sind, Patches zu tauschen?

Über mein Kleiderkonto, nicht das bei Bonprix, sondern das beim Land Schleswig-Holstein, habe ich für die Reise extra ein paar Uniformpatches bestellt. Viele Polizisten haben die Wände ihrer Bureaus voll mit Patches aus aller Welt, die sie auf Reisen mit anderen Cops getauscht haben. Ich nicht. Ich mach das heute zum ersten Mal.

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Als ich mit den schleswig-holsteinischen Klettabzeichen zu den beiden rübergehe, kapieren sie sofort was los ist. Der Bär mit der Spiegel­brille reißt ohne ein Wort und ohne eine Miene zu verziehen das Gendarmerie­ab­zeichen von seiner Jacke. Der Klettverschluss macht dabei dieses fiese, reißende Geräusch. Mit einem Lächeln reißt sich der zweite Kollege das Wappen vom Ärmel.

Ich überreiche jedem einen Satz unserer Patches. Die sind deutlich größer, aber leider nicht so schmuck, wie die aufwendig gestalteten Gendarmerie Abzeichen. Trotzdem sind wir alle drei zufrieden mit unserem Tausch.

Wir sprechen noch eine Weile übers Motorradfahren, übers Reisen und über meine Eindrücke von Frankreich. Weil keiner die Sprache des anderen beherrscht, ist es eine etwas holprige Unterhaltung, aber wir kommen voran. Die BMWs sind sauschnelle Motorräder und die Beiden wollen wissen, wie sich die Knobby Tires der Enduro auf Asphalt fahren. „Très bien“, lüge ich gekonnt und meine „geht so“.

Plötzlich erwacht ihr Funk zum Leben und die Beiden brausen nach einem kurz hingeworfenen „Au revoir, bon journee“ vom Hof. „Tschüss, ihr Beiden. Passt gut auf euch auf. Da draußen sind eine Menge Verrückter unterwegs.“

Ich sattele die Honda mit dem korrekten Luftdruck und dem Baguette im Tankrucksack und fahre los. Unser nächstes Ziel ist ein guter Picknickplatz im Schatten, wo wir unser Tischtuch ausbreiten können. Und die Koteletts.

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Gerade, wenn man am wenigsten damit rechnet, findet man die schönsten Plätze. Im Schatten einer Kirche unter einer Reihe von Kastanien steht ein verwitterter Picknicktisch. Hier werden wir uns ausbreiten, Pieps, die Tischdecke und ich.

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Ein knuspriges Baguette, Butter und zwei Schweinekoteletts sind unser Mittagessen. Pieps und ich sind zufrieden, auch wenn es eine kurze Unstimmigkeit bei der Aufteilung der Schwarten gibt.

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Es ist heiß geworden. Schon beim Picknick war die Butter weicher als sonst und inzwischen sind es wohl weit über 30°. Der Asphalt in den Dörfern ist selbst den Katzen zu heiß, um sich draufzulegen und jeden gleichermaßen herablassend wie gelangweilt zu ignorieren.

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Irgendwo in einem Eichenwald kurz vor Accolay das erlösende Schild, Camping 500 m. Die Rezeption im Camp d'Accolay ist verschlossen, aber ein Schild verkündet „en l'absence du gardien installez vous." Sinngemäß bedeutet es wohl, man möge sich in Abwesenheit der Wachen selbst installieren, und das tun wir.

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Der Himmel hat sich bezogen und es ist schrecklich schwül geworden. Meine Sachen kleben am Körper und ich lege sie zum Trocknen ins Gras.

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Als Pieps vom Spielplatz nach Hause kommt, ist sie erhitzt und ein wenig zerzaust, aber hoch zufrieden. Ich kenne das schon. Gleich steht wieder irgendein Elternteil vorm Zelt und fragt im Tonfall der Empörung, ob das meine Maus sei. Leider spreche ich in solchen Momenten noch weniger Französisch als sonst. Und außerdem hat der andere angefangen.
Sagt Pieps …

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Das Entrecôte des Tages entpuppt sich einmal mehr bloß als ein Faux Filet. Dieses „Versehen" kommt in Frankreich häufiger vor. So manches Entrecôte Frites ist in Wahrheit bloß ein falsches Filet mit Pommes. Pieps bemerkt den Unterschied nicht, aber für mich ist es zäh.

Ich möchte jetzt ein wenig lesen und Pieps will noch einmal zum Spiel­platz, weil sie „noch was klär'n muss mit den ein' rothaarigen Jungen".

Bis Morgen, Leute...

zum nächsten Tag...

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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.