Motorradreise nach Bornholm Inhaltsverzeichnis Tag 1 Kiel - Møn Tag 2 Møn - Ystad Tag 3 Bornholm, Überfahrt Tag 4 Bornholm, Burg Hammershus Tag 5 Bornholm, Ekkodalen
Ekkodalen
Es ist jedesmal ein kleines Wunder, wenn ich morgens im Zelt wach werde und aus tiefem Schlaf meine Sinne wieder anspringen. Zuerst das Hören,
die Vögel singen, Insekten summen, der Wind rauscht in den Bäumen. Ansonsten ist es um mich herum ganz still. Zumindest, solange Pieps noch schläft
Ekkodalens Naturcamping ist nach dem Echotal benannt, das ganz in der Nähe liegt.
Es ist eine der absoluten Top-Sehenswürdigkeiten Bornholms.
Wir brauchen bloß die Landstraße zu überqueren und sind schon fast da.
Bereits auf der Zufahrt ins Echotal fährt der erste Reisebus an uns vorbei, Jan-Oles Turisttrafik, Doppelachser mit Klimaanlage. Nicht der einzige.
Der Parkplatz vorm Besucherzentrum steht voller Busse, aber es sind nicht Rentner wie ich, die im Frühtau zu Berge durch die Landschaft trompeten, sondern Schulklassen auf Wandertag, die an diesem Morgen von ihren Paukern durchs Echotal getrieben werden.
Die beste Stelle für ein Echo ist ausgeschildert, Bedste ekko 20 m, obwohl der Hinweis überflüssig ist, denn schon vom Parkplatz hört man die lauten Rufe, mit denen das Echo getestet werden soll. Ich verstehe kein Wort, aber anhand der ausgelassenen Stimmung dürfte es sich um die dänische Version des Bürgermeisters von Wesel handeln, ein Klassiker.
Ekkodalen ist ein Spalttal, eine für Bornholm typische Landschaftsform.
Laut Wikipedia haben die sich bei der Abkühlung von vulkanischem Gestein gebildet,
was ziemlicher Unsinn sein dürfte, denn in Dänemark gibt es keine Vulkane, aber irgendwas Schlaues müssen sie bei Wikipedia wohl hinschreiben, um ihre Spenden zu rechtfertigen.
Wir latschen mit etwa hundert Teenies im Alter von etwa 12 bis 16 Jahren den Wanderweg entlang, das heißt, ich latsche, Pieps wird getragen.
Als die Kinder vor der Felswand stehenbleiben und das Echo testen, überhole ich den gesamten Tross und marschiere eilig weiter, um möglichst rasch Abstand zwischen die Schulklassen und mich zu bringen.
Die Wege im Ekkodalen sind wunderschön angelegt. Über die sumpfigen Stellen führen Bohlenwege, und in den Wald oberhalb der Felsen gelangt man über eine steile Holztreppe.
Alles ist gerade gut genug ausgebaut, dass es nicht wie ein Disney Wanderweg aussieht, aber bequem genug ist für Pieps und mich, zumindest solange man auf dem Weg bleibt.
Endurowandern zu Fuß. Ich seh' den Sinn nicht dahinter, aber nun haben wir auch das einmal gemacht: Wir sind gewandert und es hat sogar Spaß gemacht. Das Ekkodalen lohnt sich selbst ohne Bürgermeister von Wesel, aber wieviel mehr Freude hätten wir erst auf der Enduro gehabt, doch sowas wird hier vermutlich nicht so gern gesehen.
Zurück im Besucherzentrum lasse ich mich am Kiosk auf einen Kaffee nieder. Am Nebentisch sitzt ein Ehepaar aus Celle, das seit vielen Jahren immer wieder nach Bornholm fährt. Sie, 72 ist begeistert von der Insel. Ich schweige, weil ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet habe.
Wir unterhalten uns fröhlich weiter, worüber alte Leute eben reden. Sie empfiehlt mir eine Impfung gegen Gürtelrose und ich höre interessiert zu.
In jungen Jahren hätten wir über Mode geredet, über Schuhe, oder welche KTM mehr Riss hat, die EC300 als Zweitakter, oder der 450er Viertakter, und ob sich der Aufpreis für die Factory Edition überhaupt lohnt, doch nun sitzen wir hier im Schatten der Reisebusse, trinken Kaffee und sprechen über Gürtelrose und den grauen Star ihres Mannes.
Selten war mir so deutlich, wie alt ich geworden bin, Apotheken-Umschau statt Dirt-Biker Magzine.
Wann genau ist das eigentlich passiert mit dem Altwerden? Wo war ich da? Hab ich schon geschlafen, oder saß da gerade in einer Besprechung?
Wo immer ich gewesen bin, es kam überraschend, doch das Schlimmste ist, dass ich mich darin ganz gut eingerichtet habe und mich sogar recht wohl fühle. Alles in allem zumindest
Ich muss dringend zurück ins Camp und mein Motorrad holen! Wenn ich auf der Enduro sitze, den Gang reintrete und die Kupplung springen lasse, ist alles noch wie immer, wie es sein soll und immer gewesen ist.
Vom Camp heize ich hinüber nach Svaneke.
Wikipedia sagt über den Ort: "Aufgrund des malerischen Altstadtkerns mit Fachwerkhäusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert ist Svaneke heute ein beliebter Touristenort."
Der Touristenandrang wäre an diesem schönen Tag Anfang September gar nicht so groß, doch auch in Svaneke drängen sich Kohorten von Teenies in den malerischen Gassen.
Es ist schier unerträglich, und ich bin froh, als ich wieder auf Greeny sitze und den Motor starte.
Ein paar Kilometer weiter erreichen wir Årsdale, ein Fischerdorf mit 298 Einwohnern.
Zumindest diesen Ort haben wir für uns allein, denn kein einziger Tourist hat sich außer uns hierher verirrt und das einzige nervige Kind ist Pieps: „Wegen das gib' gar keine Volkane in Denemark, näh?!“
Früher hat es hier an der Küste und in Årsdale bis zu 30 Fischkutter gegeben, die den Fang für die zahlreichen Räuchereien geliefert haben, die ein Markenzeichen der Insel sind, aber mit den heutigen Fangquoten ist das nicht mehr rentabel. Der alte Rostklopfer im Hafenbecken könnte einer der letzten seiner Art sein.
Was mir auf Bornholm auffällt, im Sinne von nicht so schön auffällt, sind die gut ausgebauten, schnellen Verbindungsstraßen mit makellosem Asphalt.
Breite Straßen mit Leitpfählen und schneeweißen Markierungsstreifen.
Dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden, außer dass es dem hyggeligen Charme, den ich mir von Bornholm erhofft hatte, nicht gut tut.
Dafür entschädigt die Sankt Peders Kirke mit ihrem Treppengiebel. Ich habe keine Ahnung von Architektur, aber die Treppengiebel auf den schneeweißen dänischen Kirchen liebe ich doch sehr. So freundlich hell und einladend stelle ich mir Kirche vor, ganz anders als unsere dunkel drohenden Sakralbauten, die eher einschüchternd wirken.
Das war ein kleiner Reisetag, aber wir hatten Wandern, Umherfahren und eine Kirchen-Außenbesichtigung ohne Absteigen. Mit dem guten Gefühl, das Beste aus diesem Tag gemacht zu haben, fahre ich schnurstracks zum SuperBrugsen in Åkirkeby und besorge uns ein Stück Ribbensteg mit einer Knusperschwarte der Extraklasse.
Zum Abendessen trage ich eine Sitzbank als Tisch herbei und für mich einen Korbstuhl. Die Gartenmöbel stehen verteilt im Camp Apfelgarten herum und ich suche zusammen, was uns nützlich ist.
So nobel haben wir lange nicht unter freiem Himmel zu Abend gesessen, und das karierte Tischtuch, das Claudia für meine Reisen genäht hat, passt wunderbar in das Bild von Landlust, Hygge und Schweinebraten.
„Meine Güte, haben wir ein schönes Leben “
Und bei euch so...?