Motorradreise nach Bornholm
Inhaltsverzeichnis
Tag 1 Kiel - Møn
Tag 2 Møn - Ystad
Tag 3 Bornholm, Überfahrt
Tag 4 Bornholm, Burg Hammershus
Tag 5 Bornholm, Ekkodalen
Tag 6-11 Heimreise und Fazit

Heimreise und Fazit

Auf Bornholm genießen Pieps und ich die herrlichsten Spätsommertage von allen, die Tage warm und sonnig, die Nächte angenehm kühl. Es ist diese wunderbare Zeit jenseits von Mücken und Geziefer, das perfekte Motocamping Wetter.

Ekkodalens Naturcamping hat sogar eine kleine Kaffeebar. In einem Gartenhäuschen stehen ein Kühlschrank und ein Kaffeeautomat. Daneben eine Geldkassette. Die Preisliste hängt an der Tür des Kühlschranks.

Ich möchte einen Nespresso trinken und öffne die Geldkassette, um zwei Euro reinzulegen. Die Kasse ist bis oben hin voller Münzen und Scheine. Offenbar wurde sie den ganzen Sommer über nicht gelehrt.
An der Straße nach Rønne sind wir gestern an einem Outdoorshop vorbei­gekommen. Da fahren wir heute mal hin. Vielleicht finde ich dort ein neues Campingkissen. Meines lässt allmählich Luft.

Campingkissen haben sie nicht und ich will schon wieder gehen, doch Pieps hat ein paar Sachen entdeckt, die sie unbedingt haben möchte. Auf Taschengeldvorschuss, der mittlerweile bis ins Jahr 2029 reicht.

Wir kaufen keine Flinte, sondern fahren weiter nach Rønne, den größten Ort und Verwaltungssitz Bornholms. Die Fahnenmasten in der gesamten Innenstadt sind hoch offiziell mit Regenbogenflaggen dekoriert.
„Why are all those rainbow flags here?“, frage ich eine Passantin.
„There will be a Pride Parade today“, sagt sie und geht weiter.

Der Umzug beginnt erst am Nachmittag, aber in der Stadt sind schon jede Menge fröhlicher Menschen unterwegs. Heute sind Pieps und ich nicht die schrägsten Gestalten am Platze.
Bei solchen Themen - rund um LGBT - bin ich jedesmal unsicher, ob ich im Reisebericht darauf eingehen soll. Sie haben nichts mit Enduro­wandern und Motorradreisen zu tun und man kann sich damit jede Menge Ärger einhandeln.
Besonders das Thema Trans stößt manchen Menschen übel auf, weshalb ich es meistens vermeide. Sonst hätte ich der MOTORRAD längst einen Leserbrief geschrieben, wie es mich kränkt, wenn sie die Honda Transalp genüsslich Die Transe nennen. Sie können es nicht lassen.
Vermutlich merken sie es nicht einmal. Es ist, als würden sie das N-Wort benutzen. Untereinander ok, aber von außerhalb kommt es nicht gut an.
„Und warum schreibst du denen keinen empörten Leserbrief?“
„Weil ich mir den Shitstorm ersparen möchte, der dann losbricht. Vom Tenor her ist die MOTORRAD immer noch ein reines Männermagazin. Sie werden es nicht kapieren und ich will den Ärger nicht.“

Pride oder Trans, hin oder her, wir haben Hunger. Aus einer Fischbraterei besorge ich uns gebratene Heringe frisch aus der Pfanne. Meine Güte, sind die lecker. Man sollte wirklich viel öfter Hering essen.
Bevor der Trubel beginnt, machen Pieps und ich uns auf den Rückweg ins Camp. Es wird allmählich Zeit, an die Heimreise zu denken.

Am nächsten Morgen packe ich unsere Sachen zusammen, verstaue sie auf Greeny und verabschiede mich aus Ekkodalens Camping. Das Camp war für mich das Highlight der Insel.
Wir stehen schon früher als rechtzeitig am Hafen in Rønne und warten auf das Check-In. Endlich ist es soweit: „Lane 22, please.“ Brav stelle ich mich mit Greeny ganz hinten in Spur 22 an.

Zwei BMW Biker - offensichtlich Insider - rauschen an allen vorbei und bauen sich ganz vorne direkt neben der Rampe auf. Die kennen sich aus, denke ich und warte dennoch brav an meinem Platz. Ich hab nämlich die Else gesehen, die vorne Wache hält: Jung, drahtig, Warnweste und Boots. Mit der willst du keinen Streit kriegen. Und tatsächlich: From Hero to Zero in three, two, one …
Die beiden kassieren die Mutter aller Anshice und tuckern kurz darauf unter den beifälligen Blicken der Wartenden zurück in die Reihe.

Auf dem Festland angekommen fahren wir schnurstracks zur E65 nach Malmö. Autobahn mit Greeny ist wie Feldweg mit der Goldwing. Geht grundsätzlich, kann man machen, aber ist kein Heimspiel.

Ich halte die KLX knapp unter 100 km/h, dann dreht sie etwa 6.200 U/min. Der rote Bereich beginnt bei 10.500 U/min. Demnach sollten die Hundert dem Einzylinder nichts ausmachen.

Auf der Öresundbrücke rollen wir 60 Meter über der Ostsee von Schweden zurück nach Dänemark. Kaum zwei Stunden später geht es auf der Dronning Alexandrines Bro, der Mønbroen hinüber nach Møn.

Zum ersten Mal will ich einen anderen Campingplatz ausprobieren, eine Alternative zu unserem geliebten Camp Møns Klint. Ich lenke die giftgrüne Kawasaki auf den Kieselplatz vor der Rezeption von Keldby Camping Møn, ganz vorsichtig, nicht dass wir uns in dem tiefen Kieselsteinbett noch auf die Seite legen. So einen Stunt braucht kein Mensch.

Die Dame am Empfang ist mega freundlich. Sie erlaubt uns sogar, unser Zelt im Garten des Camps aufzustellen, der sonst für Picknicks gedacht ist, doch weil schon Nachsaison ist, dürfen wir unsere Heringe am schönsten Ort des Camps in den Boden pieken.

Inzwischen habe ich Übung mit der neuen Isomatte und dem zugehörigen Schnozzelbag. Der heißt wirklich so! Ein prima Name für einen Pauker. Herr Schnosselbek, Deutsch und Geschichte in der Oberstufe. Einer der Letzten, die bei abknickender Vorfahrt noch blinken.

Egal, wie er heißt. Der Schnozzelbag kann was. Man klickt den Pumpsack an die Matte, macht die Öffnung weit, pustet leicht hinein und rollt den Beutel zusammen, so dass die Luft in die Matte gepresst wird.

Wenn man sich nicht komplett dämlich anstellt, ist die Matratze mit dreimal Schnozzelbag voll. Mit einem speziellen Ventil lässt man vorsichtig Luft ab, bis die Matte nicht mehr prall ist. Gerade so, dass der Hüftknochen in Seitenlage noch nicht auf den Boden durchdrückt.

Sowie die Matte im Zelt liegt, richten Pieps und ich uns häuslich ein. Ich lege den Schlafsack auf die Matte, puste das Kopfkissen auf, stelle den Tankrucksack als Nachttisch nebens Bett und lege den E-Book-Reader ans Kopfende. Alles muss genau wie immer sein. Das liebe ich so am Zelten. Wir sind überall zuhause.

Es ist eine trockene Nacht mit Temperaturen 3 °C über dem Taupunkt. Solange der nicht erreicht wird, gibt es weder Tau noch Kondenswasser im Zelt. Das Exped Orion ist knochentrocken, als ich es zusammenlege und in seinen Zeltsack stecke.
Der Sommer ist vorrüber. Die Felder sind abgeerntet, die Saison geht ihrem Ende entgegen und die Campingplätze leeren sich. Es wird Zeit, nach Hause zu fahren.

Ein letztes Mal in diesem Jahr lenke ich Greeny auf die Fähre von Bogø nach Stubbekøbing. Noch 175 km und die Überfahrt mit der Fähre nach Fehmarn und wir sind wieder zuhause in Kiel, wo wir hingehören.

Fazit

Diesmal ist es schwierig, ein Fazit zu schreiben. Mit Bornholm geht es mir wie mit La La Land, dem Film, der für vierzehn Oscars nomiert war. Alle haben sich überschlagen vor Begeisterung, nur ich hab nach zehn Minuten kopfschüttelnd ausgemacht und gedacht, wollen die mich vershicern?!

Bornholm war nett, aber hat mich nicht begeistert. Die Insel ist zu groß, um sie als Insel wahrzunehmen, die Straßen zu breit, zu schnell, zu gut, alles einen Tick zu pedelec und wohnmobilig. Herr Schnosselbek würde sich dort wohlfühlen. Mir haben Ærø und Samsø besser gefallen, sind inseliger und leichter zu erreichen.
Andererseits habe ich auch nicht alles gesehen und nicht einmal das Nationalgericht Bornholms gekostet, Sol over Gudhjem, eine Scheibe Roggenbrot mit einem geräucherten Hering und obendrauf einem rohen Eigelb, der Sonne. Die Räuchereien waren ständig zu voll.
Beinahe habe ich ein schlechtes Gewissen, von Bornholm nicht begeistert zu sein, aber Ehrlichkeit ist es, die offziellen Reiseführer sehr häufig fehlt. Stets wird die überwältigende Gast­freundschaft genannt, die faszinierende Kultur, eine einzigartige Landesküche und die grandiose Landschaft. Egal, welches Land. Ich empfehle dazu den Reiseführer Molwanien - Land des schadhaften Lächelns.
Dennoch war es eine schöne Reise. Ein letztes Mal vor Herbstbeginn mit Motorrad, Zelt und Bratpfanne auf Reisen gehen, fotografieren, campen, unterwegs sein.

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