Inhaltsverzeichnis
Norwegen
Tag 1: Kiel - Oslo
Tag 2: Oslo - Sogndal
Tag 3: Sogndal - Geiranger
Tag 4: Geiranger - Molde
Tag 5: Aursjøvegen
Tag 6: Sunndalsøra - Flakk
Tag 7: Flakk - Vennesund
Tag 8: Vennesund - Polar Camp
Tag 9: Kilboghamn - Lofoten
Tag 10: Lofoten und Vesterålen
Tag 11: Harstad - Senja
Tag 12: Tromsø - Burfjord
Tag 13: Hammerfest
Tag 14: Nordkap
Finnland
Tag 15: Honningsvåg - Inari
Tag 16: Inari - Rovaniemi
Tag 17: Rovaniemi - Kokkola
Tag 18: Kokkola - Pyhäranta
Åland Inseln
Tag 19: Pyhäranta - Eckerö
Schweden
Tag 20: Eckerö - Sala
Tag 21: Sala - Tidaholm
Tag 22: Tidaholm - Helsingør
Dänemark
Tag 23: Helsingør - Kiel

Route zum Nordkap
Platzhalter Route Norwegen
Platzhalter VIP Mullsjö
Platzhalter Smålandsstenar ICA Supermarkt
Platzhalter Kombiticket Helsingborg Puttgarden
Platzhalter Camping Hornbæk
Platzhalter Reisekasse Schweden Endurowandern
Platzhalter


0,24 t Gesamtgewicht

Was haben die Schweden bloß gegen knusprig? Sie machen die leckers­ten Brötchen und Baguettes, belegen sie mit Spiegelei und gebra­tener Wurst, nur um sie dann in Cellophan einzu­wickeln, damit sie nass und labberig werden. Entweder haben die eine Hygiene­macke, oder eine strikte Abneigung gegen alles Knusprige.

Frühstück Kaffee Sandwich

Missmutig sitze ich in der großen SHELL Station von Mullsjö und muffele das ehemals leckere Baguette in mich hinein. Die gebratene Fleischwurst und das Ei sind noch warm, das Brötchen nass.

Heute morgen fühle ich mich wie zerschlagen, dabei habe ich so lange und so gut geschla­fen, wie sonst auch. Brauche ich einen freien Tag, einen Tag Urlaub von meinem Urlaub?

Ein wenig habe ich die Anstrengung unterschätzt, jeden Tag sieben Stunden Motorrad zu fahren und jede Nacht woanders zu zelten, aber andererseits ist das auch mein jährlicher Stresstest.

Wie Banken und Atom­anlagen muss nämlich auch ich von Zeit zu Zeit getestet werden, ob ich der erhöhten Belastung noch standhalte, oder sich irgendwo schon Risse bilden und ich bald abgeschaltet werden muss.

Argwöhnisch achte ich auf jedes Zipperlein, auf Rückenschmerzen, Magen­probleme, Krämpfe, oder sonstige Beschwerden, aber bis jetzt ist alles in Ordnung, keine Risse.

Mein kleines Tief könnte auch ein gewöhnlicher Kater sein, nachdem ich gestern Abend noch einmal kurz im Supermarkt war, um Nachschub zu holen. Mit dem letzten Schluck Kaffee nehme ich ein Aspirin und mache mich wieder auf den Weg.

See in Schweden

Auf den nächsten hundert Kilometern führt die 26 vorbei an zahllosen Seen, für die ich keine Namen weiß, an Holzhäusern, die ochsenblutrot gestrichen sind und an einer Dorf­schule aus Holz, vor der die schwedische Fahne weht. Welch ein hübsches Land das ist, so geordnet, so gelassen und unaufgeregt.

Dorfschule Schweden

Während ich im Sonnenschein an Birken und Seen vorbeifahre, erinnere ich mich genau daran, wie ich Schweden auf meiner ersten Tour 1984 ins Herz geschlossen habe und seitdem alle paar Jahre zurückgekehrt bin.

Am späten Vormittag rolle ich auf der Enduro in eine Kleinstadt hinein, Smålandsstenar heißt sie, kleine Geschäfte unter Linden, ein Marktplatz, Blumenbeete und Menschen, die es nicht eilig zu haben scheinen.

Blumengeschäft

Ich stelle das Motorrad vor einem Supermarkt ab und schlendere die Hauptstraße entlang. Im Schatten maigrüner Linden liegt halb versteckt ein kleines Blumengeschäft, eine Girlande bunter Wimpel weht fröhlich im Wind. Blomstergarden steht auf dem Schild über der Tür. Ich mache ein Foto und gehe langsam weiter.

Svenja und Enduro

Es ist ein warmer Tag und ich bekomme Lust auf eine Erfrischung. Im Supermarkt organisiere ich einen Blaubeerjoghurt und kaufe auch gleich für den Abend ein, es gibt Schweinekoteletts und Kartoffelsalat, ein sicheres Zeichen, dass ich hungrig bin, denn ich mag keinen Kartoffel­salat, mich lockt nur die Mayonnaise.

"Excuse me, please", spreche ich einen jungen Verkäufer an, "I cannot find the white wine. Can you show me?" Er wirft mir einen Blick zu, als hätte ich nach Crystal Meth gefragt. Ich hatte ganz vergessen, dass es in Schweden Wein nur im Systembolaget gibt, den staatlichen Schnapsläden, die das Monopol auf den Verkauf von Alkoholika jenseits der 3,5 % Marke haben.

Den Blaubeerjoghurt löffele ich im Stehen neben dem Motorrad in mich hinein. Es könnte mir nicht besser gehen, denke ich und lächele versonnen vor mich hin.

Beschreibung Einige Kilometer hinter Smålands­stenar fahre ich am Zaun einer großen Spedition entlang, ein riesiges Gelände mit Hallen, Last­wagen und vielen abgestellten Trailern. Ich werde langsamer und biege auf das Gelände ein, ich habe nämlich etwas entdeckt, dass ich unbedingt ausprobieren möchte, die LKW-Waage.

Mein kleiner Besuch wurde offenbar noch nicht bemerkt. Das Gelände ist so groß, dass niemand mir Beachtung schenkt.

Ich weiß nicht, wie diese Waagen funktionieren, ob man irgend etwas tun muss, oder irgendwo drücken, aber entschlossen fahre ich das Motorrad die Rampe hoch und bleibe auf der Wiegeplatte stehen.

Sofort erscheint auf der Anzeigetafel ein Wert: 0,24 Tonnen. Nicht schlecht für eine Enduro, eine Svenja, eine Maus mittlerer Statur, eine komplette Zeltausrüstung inklusive Küche, ein Nachthemd und Urlaubs­gepäck für drei Wochen.

Ich knipse ein Erinnerungsfoto der Anzeigetafel und mache, das ich wegkomme. Inzwischen sind ein paar Jungs in Warnwesten auf mich aufmerksam geworden, aber ich kann nirgends eine BMW entdecken, also müssen das welche von den Speditionstypen sein.

Ich lege den ersten Gang ein, lasse die Kupplung kommen und rausche zügig von der Waage runter, durch das große Tor und zurück auf die Landstraße.

Autobahn Motorrad Schweden

Bei Halmstad erreiche ich die E6 und biege auf die Autobahn nach Süden ein. Der Verkehr fließt ruhig dahin und ich schwimme auf Greeny locker mit. Schneller als 110 km/h darf man in Schweden nicht fahren und dieses Tempo fühlt sich heute genau richtig an.

Kurz vor Helsingborg verlasse ich die Autobahn in Richtung Fährhafen. Auf der Reklametafel eines Baumarktes werden 32° C angezeigt, mir ist heiß. Gerade als ich auf das Hafen­gelände einbiege, kommt Seenebel auf, der in kurzer Zeit alles in eine kühle Decke hüllt.

Das Thermometer am Hafen zeigt nur noch 24° und der plötzliche Temperatur­sturz fühlt sich angenehm frisch an, aber der Nebel hat auch etwas Klabautermann­mäßiges. Ich liebe gute Filme und mir fällt The Fog ein, Nebel des Grauens, ein John Carpenter Klassiker.

"Nächste Fähre: 14:30 Uhr", steht auf der Leuchttafel am Ticketschalter der Vogelfluglinie, die Uhr im Cockpit zeigt 02:28 Uhr, das schaffen wir noch.

"Combi ticket for Puttgarden, please", ranze ich die Frau am Schalter an. Damit buche ich gleich beide Fähren, Helsingborg - Helsingör und für morgen Rödby - Puttgarden. 555 SEK erscheint auf dem Display der Kasse, das sind ungefähr 62 Euro. Entschlossen ramme ich die VISA-Karte in den Schlitz des Datenterminals und tippe hektisch die PIN ein. Noch eine Minute bis zur Abfahrt.

"Lane one, please", werde ich eingewiesen und düse unter Missachtung sämtlicher Regeln quer über den Anleger zur Fähre, die mit weit geöffneter Bugklappe bereitsteht. Auf dem letzten Stück rauche ich noch einen Reisebus auf, der ebenfalls unterwegs zum Schiff ist.

Ich bin kaum abgestiegen, da hält der Reisebus genau hinter mir an, die Türen öffnen sich und eine Flut chinesischer Touristen ergießt sich auf das Deck. Bunt gekleidet und fröhlich schwatzend fotografieren sie alles, was ihnen vor die Linse kommt.

Oh no! Ich weiß, was jetzt kommt: Chinesen sind jedesmal völlig aus dem Häuschen, wenn sie eine Frau entdecken, die alleine mit dem Motorrad unterwegs ist.

Chinesische Touristen

Im Nu bin ich von Frauen umringt, die sich mit mir fotografieren lassen wollen und ihre Fröhlichkeit ist so ansteckend, dass ich selbst meinen Spaß daran habe. Ich gebe einer Frau meine Kamera und bitte sie, ein Foto von mir zu machen, und zum ersten Mal muss ich nicht erklären, wie die Kamera funktioniert, Chinesen können sowas.

Chinesische Touristen

Unsere Fähre, die M/S Hamlet, tutet auf der kurzen Strecke über den Sund ungewöhnlich oft und lange. Der Name des Schiffs dürfte kein Zufall sein, denn Shakespeares berühmtes Drama Hamlet spielt in Helsingör.

Ich zucke jedes Mal zusammen, wenn das mächtige Nebelhorn losgeht. Trotz Radar und GPS wird auch heute noch gerne getutet.

Kurz darauf werden die Schiffsmotoren leiser. Die Bordwände sind zu hoch, um etwas sehen zu können, aber ich ziehe schon einmal das Halstuch über die Nase und setze den Helm auf. Während ich aufs Motorrad steige, öffnet sich schon die mächtige Bugklappe und gibt den Blick frei auf Helsingör.

Helsingborg Fähre

Der chinesische Reiseleiter, der sicher noch keine dreißig ist, scheucht die Touristen mit einer Härte und Entschlossenheit zurück in den Bus, das es eine Freude ist. Jeder Deutsche hätte den Veranstalter verklagt, aber die Chinesen scheinen klare Anweisungen gewöhnt zu sein und verschwinden ohne Murren und Knurren fröhlich kichernd in ihrem Bus.

Auf den letzten Metern vorm Anlegen stelle ich die Beine weit nach außen fest aufs Deck und ziehe die Handbremse an. Wenn die Fähre auch nur ganz leicht irgendwo anditscht, dann kippen Motorräder reihenweise um, aber das Schiff legt weich, wie ein Seidenschal an und Augenblicke später fahre ich schon nach Dänemark hinein.

Motorradfahren Dänemark

Der Nebel hat sich verzogen und bei 30° C mache ich mir allmählich Sorgen um den Kartoffel­salat und die Koteletts, die ich in Smålandsstenar gekauft habe. Ich weiß nicht, ob sowas schlecht werden kann, aber doch sicher nicht innerhalb eines halben Tages, oder?

Motorradfahren Dänemark

Helsingör sieht schön aus und ist sicher einen Besuch wert, aber jetzt möchte ich zum Camping­platz und das Lager aufstellen, mir ist heiß und ich habe Hunger, aber ich verspreche, einmal wiederzu­kommen und die Stadt in Ruhe zu besichtigen.

Plötzlich zieht vom Meer wieder dichter Seenebel herüber. Es ist gespenstisch, eben fahre ich noch bei 30° im strahlenden Sonnenschein und im nächsten Moment taste ich mich vorsichtig durch den kühlen Nebel.

Seenebel Küste Dänemark

Entlang der Küstenstraße liegen die Campingplätze dicht an dicht, aber in meine Karte habe ich zu Hause den Weg nach Hornbæk Camping eingezeichnet, der Platz hat mir bei der Planung im Internet am besten gefallen.

Hornbæk Camping ist ein richtiger Apothekerplatz, elektrische Schranken, Magnetkarten, piekfein manikürte Rasenflächen und alles durch Schilder in mehreren Sprachen genau geregelt. Normalerweise meide ich solche Plätze, aber es ist noch Vorsaison und so habe ich die schöne Zeltwiese ganz für mich allein, mehr als ok für die letzte Nacht auf dieser Reise.

Dänemark Campingplatz Zelt Motorrad

Als das Lager steht, erledige ich den üblichen Routinecheck am Motorrad, Kette, Ölstand, Reifen, alles ok. Heute nachmittag, kurz vor Helsingborg, ist der Tacho auf 26.000 km gesprungen, losgefahren sind wir bei 19.800.

Mit Pieps zusammen mache ich mich zu einer Platzrunde über den Camping­platz auf, die uns wie zufällig ohne jeden Umweg direkt zum Kiosk führt.

Es ist unglaublich, welch feine Nasen kleine Mäuse haben. Pieps wünscht sich ein Ben & Jerry's Cookie Dough und ist ziemlich empört, dass wir bezahlen sollen und es nicht geschenkt bekommen, wie neulich in Schweden.

Pieps Kirscheis

Wir setzen uns auf eine Bank und teilen das Eis, das für meinen Geschmack deutlich zu süß ist, aber ich stehe ohnehin nicht so auf Eiscreme. Mit dem letzten Löffel schlendern wir zurück zum Zelt, es wird Zeit fürs Abendessen.

Der Seenebel hat sich noch immer nicht ganz verzogen, aber es ist trotzdem warm genug, um draußen zu essen. Ich stelle den Kocher auf und löse die Koteletts mit dem scharfen Messer sauber vom Knochen, so dass alle Drei auf einmal in die Pfanne passen. Das Mohnbrötchen reiße ich in kleine Stücke und brate sie mit, sowie das erste Kotelett Platz gemacht hat.

Bratpfanne Koteletts

Gegen Abend liege ich auf der Isomatte vorm Zelt und lese, während ich von Zeit zu Zeit einen Schluck lauwarmes Dosenbier trinke, als ein Pärchen auf die Wiese kommt. Er, ein hagerer Typ um die 30, reichlich abgerissen und tätowiert, sie eine dünne Else mit raspel­kurzen, knallrot gefärbten Haaren. Er zieht einen Bollerwagen mit allerlei Habseligkeiten hinter sich her, daneben läuft ein schwarzer Mischlingshund ohne Leine. Stadtindianer!

Die Beiden sehen durch mich hindurch, als ob ich Luft wäre und bauen ihr Zelt so dicht neben meinem auf, dass man sich nur wundern kann. Die Zeltwiese ist riesengroß und die zelten fünf Meter neben mir. Als erste Amtshandlung wird ein altes Kofferradio aufgestellt und kurz darauft plärrt ein Musiksender verrauscht über die Wiese.

Wie sehr ich die Einsamkeit auf dem Aursjøvegen vermisse. Ab jetzt werde ich sehr genau auf meinen Kram aufpassen und ganz besonders auf das Dosenbier.

Pieps, du hast die erste Wache, ich gehe abwaschen...

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Nur noch einmal schlafen, dann bin ich wieder in Kiel.

Platzhalter
Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.