Heimreise und Fazit
„Ich muss ma'!“, reißt mich eine klägliche Stimme aus dem Schlaf. „Ganz nötig!“ Es ist 03:30 Uhr. Na bravo! Im Sauseschritt renne ich mit Pieps durchs taufeuchte Gras zum Waschhaus. Es sind knapp 3.4° über Null. Hoffentlich ist noch ein Rest Bettwärme im Schlafsack, wenn wir zurückkommen.
Einige Stunden später ziehe ich den Reißverschluss erneut auf und freue mich über einen strahlend blauen Himmel. Keine Wolke weit und breit. Das perfekte Reisewetter für unsere Fahrt nach Oslo.Deshalb lege ich das letzte Camp vor der Fähre so, dass im Notfall genug Zeit bleibt, einen Reifen zu flicken, einen Motor zu zerlegen, eine Vollsperrung zu umfahren, oder eine plötzliche Krankheit auszukurieren. Manchmal ist es kein Spaß, ich zu sein.
Bei Tranby fahre ich auf die E18, eine der Hauptverkehrsadern nach Oslo. Es ist Montagmorgen und wir schwimmen im nicht sonderlich dichten Berufsverkehr mit 110 km/h dahin.
Wer - wie ich - unter der ständigen Furcht leidet, sich zu verfahren und deshalb eine Abfahrt zu verpassen, zum Beispiel die Fähre nach Hause, braucht sich keine Sorgen zu machen. Das Colorline Terminal hat eine eigene Abfahrt, man bleibt einfach auf der Autobahn, bis ein Pfeil nach rechts sagt: Colorline.
„Darin macht mir keiner was vor“, denke ich nicht ohne Arroganz, als ich auf den Anleger rolle und im selben Augenblick die Color Magic einläuft und sich langsam an den Kai heran schiebt. Nachdem ich drei Stunden auf dem Parkplatz gewartet habe, ohne an Bord zu dürfen, bekommt meine Begeisterung für dies Talent erste Risse, doch immerhin: Ich bin hier.
Die Fähre legt um 10 Uhr an und um 14 Uhr ab. Knapp vier Stunden Zeit, um 2.700 Passagiere und 550 Autos, Wohnmobile und LKW von Bord zu lotsen, 1.000 Kabinen zu reinigen, etwa 2.000 Betten zu beziehen, einige hundert Meter Teppich zu saugen, eine Zentillion Mülleimer zu leeren und neue Vorräte fürs Grand Buffet heranzuschaffen, an dem Pieps und ich uns heute Abend dick und kugelrund essen wollen.
Endlich gibt der Lademeister das Signal: Wir dürfen an Bord. Vor mir rollen eine Honda Goldwing mit Anhänger und zwei Italiener auf Ducatis an Bord. Wir fahren die stählerne Rampe hoch ins obere Autodeck und werden von Gelbwesten auf unsere Stellplätze eingewiesen.
„Pah!", denke ich, „Wir gehen zu Fuß."
Ich nehme auf Schiffen nicht gern den Fahrstuhl. Die in den Aufzügen sind später die, die in der Tagesschau mit den Opferzahlen genannt werden. Denk ich nur an die Costa Concordia.
„Lass uns hoch an Deck gehen, Pieps“
„Könn' wir nich' lieber erst zu'n Buffet gehen?“
„Ist noch zu früh, Mäuschen. Aber sowie die aufmachen...“
Stoisch zieht die mächtige Color Magic ihre Bahn über die ruhige Ostsee. Meine Güte, wie ich es liebe, auf einem großen Schiff zu fahren, wenn das Motorrad warm und trocken unter Deck steht, während Pieps und ich selig schlummernd unserem Reiseziel entgegenträumen.
1. Ober schließt von innen die große Glastür auf.
2. Rettet sich mit geübtem Sidestep vor der Stampede.
3. Svenja und Pieps checken am Counter ein.
4. Suchen einen strategisch günstigen Platz mit gutem Überblick, doch
nicht zu weit entfernt von den Fleischtöpfen.
5. Eilen so, dass es gerade noch nicht nach Laufen aussieht, ans Buffet.
6. Häufen einen großen Teller voll mit Fleisch und zwei Stück Alibigemüse.
7. GoTo #5.
Die Auswahl an Speisen ist geradezu dekadent. Ich liebe das sehr. Pieps und ich haben uns - wie immer - ein Thema für den Abend gesetzt, es lautet: Lamm in allen Variationen.
Als Pieps und ich, bereits ziemlich erledigt, vor der abschließenden Käseplatte sitzen, kommt ein Mann zielstrebig an unseren Tisch: „Diese Maus kenn ich.“
Pieps ist entzückt über die Aufmerksamkeit und im selben Moment erkenne ich ihn: Es ist einer aus der Gruppe Leipziger Angler, die mir auf meiner Reise zum Nordkapp den Abend gerettet haben. Sie haben mich mit Rouladen und Rotwein aus dem nassen Zelt in ihre warme, trockene Hütte gelockt und wir hatten zusammen einen wunderbaren Abend mit Wein und guten Gesprächen. Welch ein schönes Wiedersehen. Wir verabreden uns für den Abend in der Bar.
Nächster Morgen
Nach einem ausgiebigen Frühstück zusammen mit den liebenswerten Anglern aus Leipzig mache ich mich startklar. Ich habe es nicht weit nach Hause, das Dach meines Wohnblocks konnte ich vom Oberdeck sehen.
Das war sicher nicht meine letzte Norwegenreise. Besonders der hohe Norden nördlich des Polarkreises hat es mir angetan. Aber das ist Stoff für eine andere Reise. In einigen Wochen geht es mit Greeny und Pieps im Autozug nach Frankreich. Ich freu mich schon.
Und hier noch einmal als kurzer Filmclip bei YouTube:
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