Inhaltsverzeichnis Frankreich 2025 Tag 1-3 Kiel - Wingen-sur-Moder (F) Tag 4 Wingen-sur-Moder - Bannes Tag 5-6 Hautoreille - Le Paroy Tag 7-8 Morvan - Auvergne Tag 9 Gorges de la Dordogne Tag 10 Gorges de la Dordogne II Tag 11 In den Gärten von Limeuil Tag 12 Lot Flusskilometer Null
An der Dordogne II
Wie läuft das eigentlich hier mit den Croissants?
Wann muss man die abholen?
Während ich noch sitze und sinniere, stiefelt der Campchef über die Wiese, stellt ein Brotkörbchen vor uns hin und wünscht: „Bon appetit“.
So läuft das hier also mit den Croissants!
Magali Plage ist das dritte Camp, wo Brötchen direkt ans Zelt geliefert werden.
Zuerst das Wiesencamp in Malliß, dann Falkudden Camping in Dalarna, und nun Camp Magali Plage an der Dordogne.
Ein Croissant für mich und eine Chocolatine für Pieps. Beide noch warm.
Toller Service!
Momente wie dieser machen das Campingleben perfekt:
Der erste Kaffee heiß aus der Blechtasse, den Schlafsack gegen die Morgenkälte um die Schultern gelegt, und dann kommt da einer und bringt Frühstück ans Bett.
Heute liegen bloß 140 km vor uns und wir lassen uns Zeit.
Erst als die letzte Flocke Blätterteig vom Nachthemd gebürstet ist, ziehen wir uns an und starten in den Tag.
In Bretenoux überqueren wir die Cére, einen Nebenfluss der Dordogne.
Unsere Route habe ich – so gut es eben geht – bei kurviger.de so nah es möglich ist ans Flussufer gelegt. Unsere Route kreuzt ein paarmal den Fluss, aber ich fahre auch über die Brücken, die uns gar nichts angehen. Einmal hin und her, nur für das Foto.
Bei Le Moulin Grande habe ich einen Abstecher vom Fluss weg auf einen Hügel eingebaut, um einen Blick von oben in die Gorges de la Dordogne zu werfen. Der Fluss ist unter dem Laubdach der Bäume kaum zu sehen, aber schön ist es trotzdem.
Ich mache ein Foto und tuckere zurück auf die eigentliche Route am Fluss.
In Carennac verlasse ich die D20 und fahren mitten in die Altstadt.
Im ersten Gang rolle ich durch die mittelalterliche Kulisse und halte am Fuß einer bestens erhaltenen Burg, die laut Wikipedia ein Schloss ist.
Meine Güte, ist das schön hier!
Kein Wunder, dass Carennac von der Vereinigung Les plus beaux villages de France zu einem der schönsten Dörfer Frankreichs erklärt wurde.
Château des Doyens liegt am Ufer der Dordogne.
Alte Holzkähne wiegen sich malerisch im Fluss, während Francois Fénelon, ein früherer Dekan des Schlosses leicht spöttisch aus seinem Rosenbeet herunterschaut.
Manche Orte an der Dordogne sind sehr touristisch, voller Reisebusse, Birkenstocks und Selfie-Sticks, aber abseits der Top-Sehenswürdigkeiten ist vom Tourismus wenig zu spüren und ich kann mich voll und ganz als Entdeckerin fühlen.
In der Nähe von Floirac überspannt eine alte Hängebrücke die Dordogne.
Pont de Miret ist seit 1912 in Betrieb und es ist nicht zu fassen, wie schmal die ist.
Wer zuerst kommt, fährt zuerst. Der Gegenverkehr muss warten.
Gerade quetscht sich ein weißer Ford Transit zwischen den Pylonen hindurch und rumpelt über die Holzschwellen der Fahrbahn.
Pont Miret ist eine von jenen Brücken, die uns im Grunde nichts angehen, weil wir gar nicht auf die andere Seite müssen, aber ich habe nun einmal ein Faible für alte Brücken, und fahre wenigstens einmal hin und zurück. Die ist einfach zu schön.
Unsere Strecke heute verläuft entlang der Route de la Noix du Périgord, der Périgord-Walnussroute.
Walnüsse sind hier eine große Sache. Die Périgord-Walnuss ist sogar AOP geschützt, Appellation d'Origine Protégée, eine geschützte Ursprungsbezeichnung, so wie Emmentaler Käse und die Spreewaldgurke. Die dürfen dann nicht mehr aus Hongkong sein, sondern müssen wirklich daher kommen, wie sie heißen.
Route de la Noix du Périgord ist eine Route durch die Departements Dordogne, Lot und Corrèze. Die Nussbauern haben sich das ausgedacht, um Besucher mit der Kultur der Périgord-Walnuss anzulocken.
Man kann die Plantagen besuchen, Ölmühlen und Museen besichtigen, und auf den Märkten und in Restaurants lokale Gerichte probieren. In erster Linie aber ist es eine Themenstraße durch hübsche Landschaften.
Während ich in meditativer Langsamkeit durch eine ausgedehnte Walnussplantage tuckere, wächst in mir die Idee für eine andere Reise.
Wie wäre eine Expedition auf der Nussroute und danach auf einer der Käserouten? Wir können abends im Zelt ja trotzdem Entrecôte braten.
Ich bin ganz hingerissen von meinem Einfallsreichtum und fahre selig durch die malerischen Gassen von Floirac.
Die Häuser links und rechts sind auf stilvolle Weise verwittert.
Einige wirken wie kurz vor dem Verfall.
Erst bei genauem Hinsehen erkennt man, dass das durchaus so gewollt ist und letztlich auch den Charme französischer Dörfer ausmacht.
Wenn hier Deutsche einzögen, sähe das in kürzester Zeit anders aus.
Wir würden diesen Charme unter vier Rollen Erfurt Raufaser und zwei Eimern Alpina-Weiß ersticken. Dafür wäre dann aber alles ordentlich.
Es sind die vielen kleinen Dinge am Wegesrand, die man nicht geplant hat, die keine großen Sehenswürdigkeiten sind, aber die Lust darauf machen anzuhalten und sich umzusehen. Der alte R5 vor der Mairie in Meyronne, der Postkasten an der Mauer, der jeden Wochentag um 09.30 Uhr geleert wird, und vieles andere mehr.
Es wird allmählich Zeit, fürs Abendessen einzukaufen.
Auf unserer Route über Nebenstraßen kommen wir nicht an vielen Supermärkten vorbei.
In Souillac gibt es einen riesigen E.Leclerc Supermarkt.
Hypermarché bieten zugleich eine willkommene Abkühlung, denn die sind immer fett klimatisiert. Selbst das Parkdeck ist überdacht, so dass ich die Honda direkt vorm Eingang im Schatten abstellen kann.
Wer schon einmal in Motorradklamotten in Südfrankreich gewesen ist, weiß, was ich meine: Es ist eine Wohltat, wenn sich der warme klebrige Schweiß am Rücken allmählich in kalten klebrigen Schweiß verwandelt.
Pieps wünscht sich – wenig überraschend – Entrecôte zum Abendessen: „Wegen Perraten ess'n ja an liebst'n immer nur Onktrikoot mit ohne was dazu, näh?!“
So sei es
Der Boucher säbelt uns zwei Scheiben mit extra dickem Fettrand herunter, und aus La Cave, wie hier die Weinabteilung im Supermarkt genannt wird, gönne ich mir einen Bergerac Rouge 2022.
Dazu soll es einen besonderen Käse geben. Wie immer, wenn ich keine Ahnung von etwas habe, nehme ich einfach aus dem zweitobersten Regal. Das kann nicht das Schlechteste sein. Und ist es tatsächlich nicht.
Wir cruisen weiter am Fluss entlang, und bin immer wieder erstaunt über die vielen Fotomotive am Wegesrand. Ein malerisches Chateau hier, eine alte Steinbrücke da, und immer ein malerischer Blick ins Land. Frankreich ist fotografisch ein wahres Wunderland.
Wir sind nicht zum ersten Mal im Perigord und unser Lieblingsplatz ist für gewöhnlich Camp Le Capeyrou, das noble Campingresort am Ufer der Dordogne mit dem sagenhaften Blick auf Schloss Beynac. Doch heute fahren wir daran vorbei, sonst wäre die heutige Etappe zu kurz und die morgige zu lang.
In La Roque-Gageac, einem der schönsten Orte der Dordogne, sind die Gehsteige so voller Touristen, dass ich höllisch aufpassen muss, keinem über die Flip-Flops zu fahren, denn ab einer gewissen Dichte von Sonnenhüten, Shorts und Selfie-Sticks, rennen sie wie die Lemminge über die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten.
Inzwischen ist im Périgord selbst in der Schultersaison noch Betrieb, ob im Mai oder im September.
Ich vermute, die Romane von Martin Walker um Bruno, Chef de Police haben auch ihren Anteil daran. Zumindest mich haben sie inspiriert, überhaupt ins Perigord zu reisen, so wie mich zuvor mein Kollege Kommissar Dupin in die Bretagne gezogen hat. Beide Male wurde ich nicht enttäuscht.
Ich rolle am Camping Le Capeyrou und Schloss Beynac vorbei und folge weiterhin dem Fluss.
Wir wollen nach Limeuil, ein mittelalterliches Dorf an der Dordogne, das zu den schönsten Frankreichs zählt.
Dort spielt übrigens der zwölfte Fall von Bruno mit dem Titel Connaisseur.
In Limeuil gibt es ein 4-Sterne Campingresort, das unmittelbar am Ufer der Dordogne liegt. Von dort blickt man über den Fluss auf das mittelalterliche Dorf.
Ich hoffe bloß, dass wir ohne Reservierung überhaupt einen Platz bekommen, aber mit Motorrad und Zelt hatten wir bisher immer Glück.
Vor der Rezeption von Le Port de Limeuil stelle ich den Motor der Honda ab und stiefele rasch zum Eingang.
Jetzt bloß keine Zeit verlieren, hinter mir sind gerade zwei Wohnwagengespanne angekommen, nicht, dass die mir den letzten freien Platz wegschnappen.
„I'd like to stay for two nights. A small tent, a motorbike and me, please“, trage ich meine Wünsche einer jungen Frau vor.
Sie klickt im Buchungsplan umher und scheint nicht recht zu wissen, wo sie uns unterbringen soll, dabei sind Plätze genug frei.
Motocamper genießen noch immer den Ruf armer Low-Budget-Touristen, dabei sind es Typen wie Pieps und ich, die außer ihrem gesegneten Appetit nichts von Zuhause mitbringen, sondern alles vor Ort kaufen: Jedes Entrecôte, jede Flasche Rotwein und jedes Stück guten Käses.
Das adrett gekleidete Ehepaar im Glanze seines neuen Wohnmobils steht dagegen stets im Verdacht, vorher in Wanne-Eickel bei ALDI gewesen zu sein und sämtliche Staufächer ihres Campers bis oben hin vollgepackt zu haben mit Ravioli, Kartoffeln und Dosenbier.
Der Campchef, ein lässiger Typ mit Strohhut erscheint am Tresen und mischt sich ein:
„Where're you going next?“, möchte er wissen.
„South“, gebe ich lässig zurück und komme mir verwegen vor. Dabei habe ich bloß keine Ahnung, wie der nächste Ort auf unserer Reise heißt.
„And you're sure just staying for two Nights?“ „Yes. Sure. We'll be gone on Thursday.“
Der Chef nickt, sagt etwas zu der jungen Frau, das ich nicht verstehe, und checkt uns auf Platz 75 ein. Ich bezahle knapp 40 Euro für zwei Nächte und mache mich auf die Suche nach unserem Stellplatz.
Im tiefen Bass des Einzylinders rolle ich über den Platz und sauge die herrlichen Farben der Vegetation förmlich in mich auf. Meine Güte, ist das schön hier.
Vor dem Klohaus, das wirkt wie ein kleines Chateau, wächst ein großer Bambus.
Alles wirkt extrem nobel. Neben einer der Hütten steht sogar ein Bentley.
Wer fährt denn im Bentley auf einen Campingplatz?
Das wäre ja, als wenn ich mit Greeny und Pieps im Waldorf einchecke.
Der Campingchef hat es wahrlich gut mit uns gemeint.
Parzelle 75 ist ein großer Premiumplatz im Schatten alter Bäume mit Blick auf die Dordogne.
Der ist sicher ständig gut gebucht und wir hatten großes Glück mit einem freien Buchungsfenster von zwei Tagen.
In epischer Ruhe errichte ich unser Lager: Zuerst stelle ich das Zelt hin und richte es dann mit Luftmatratze, Schlafdecke und Tankrucksack als Nachttisch wohnlich ein.
Mir ist wichtig, dass alles genau wie immer ist, und das ist es.
Vom Zelt blicken wir auf eine Baumreihe, in deren Schatten die Dordogne fließt.
Ich schnappe mir Pieps und wir gehen runter an den Fluss.
Morgen wollen wir Limeuil besichtigen und danach will die Maus „Köpper üben“ und an ihrem berühmten – und nie gesehenen – Kopfsprung arbeiten.
Zum Abendessen gibt es Steaks und Pietra, korsisches Kastanienbier aus der Blechtasse.
Wir müssen Kraft schöpfen für Morgen. Beides schmeckt ganz vorzüglich. Steaks aus der Zeltküche sind eben doch die besten.
Das war der zweite Tag, den wir an der Dordogne entlanggefahren sind, und ich darf behaupten: „Eine Flussreise mit dem Motorrad entlang der Dordogne lohnt sich sehr!“