Ein Tag in Oslo
Der gleißend hell beleuchtete Spiegel im Bad unserer Kabine ist gemein. Böse und gemein. Er zeigt mir Fältchen und Poren, die ich nie zuvor gesehen habe. Zur Sicherheit gönne ich mir eine extra Schicht MakeUp, schneide meinem Spiegelbild eine Grimasse und mache mich auf die Suche nach einem Becher Kaffee.
Die Fahrt durch den 100 km langen Oslofjord sehen wir bei herrlichem Frühlingswetter durch die Fenster der Observation Lounge. Dieses Schiff ist so riesig, dass wir mehrere Stockwerke über dem Wasser sind und dabei einen herrlichen Blick auf das sonnige Oslo haben.
Ich möchte nichts vorwegnehmen, aber bitte erinnert mich daran, nie, nie, niemals wieder an einer Stadtrundfahrt teilzunehmen. Agnes, die Reiseleiterin im Bus, kommt aus Montabaur und ist eine fröhliche Quasselstrippe, aber schon nach fünf Minuten kommen wir uns vor, wie Oma auf Kaffeefahrt. Dabei sind wir zusammen erst 120 und ich bin doch das Girl, das alleine mit der Enduro durch die Highlands fährt, aber ganz sicher kein Typ für organisierte Rundfahrten im Reisebus.
Unser erster Halt ist die Wintersportanlage Holmenkollen. Der Reisebus entlässt uns auf dem großen Parkplatz in den matschigen Schnee und wir haben 30 Minuten Zeit uns umzusehen. Mir ist kalt, ich habe Angst um meine schönen Schuhe und ich will mich nicht umsehen. Wäre ich bloß im Bus geblieben. Außerdem muss man schon ziemlich bescheuert sein, um auf Skiern diese Schanze herunterzufahren. Endlich geht es weiter.

"Der Bus sammelt uns am gegenüberliegenden Ende des Parks wieder ein.", verkündet Agnes über das Bordmikrofon und schon öffnen sich die automatischen Türen des Busses. Aussteigen und latschen? Das ist doch nicht euer Ernst, oder? Ich hasse latschen. Weshalb buche ich wohl eine Kreuzfahrt? Ich will mit dem Schiff durch die Gegend geschaukelt und dabei dreimal am Tag gut verpflegt werden. Ist das denn zuviel verlangt?
Ohne jede Begeisterung stöckele ich auf meinen 9 cm Absätzen vorsichtig durch den Schneematsch. Nur gut, dass ich nicht die Peep Toes angezogen habe.
Falls es so etwas wie einen nationalsozialistischen Phalluskomplex für Bildhauer gibt, Gustav Vigeland hatte ihn. Eine scheußlichere Monstrosität als seinen Monolithen habe ich wohl nie gesehen und Claudias Umschreibung trifft es auf den Punkt. Der Monolith und die nackten Gestalten, die überall im Park verteilt sind, erinnern mich an Kunst aus dem Dritten Reich. Tatsächlich wird Vigeland von Manchen als ein Sympathisant der Nazis bezeichnet. Ich bin erstaunt, wie unkritisch die Wikipedia Artikel in dieser Hinsicht sind.
Vom Vigelandpark geht es weiter zum Vikingskiphuset, in dem mehrere Funde von Wikingerschiffen ausgestellt sind. Als Claudia das Oseberg-Schiff entdeckt, ist sie völlig aus dem Häuschen, weil sie einmal am Institut für Ur- und Frühgeschichte in Berlin gearbeitet hat, wo dieses Schiff ein großes Thema war. Pieps und ich sind ein wenig ist entäuscht. Wir hatten uns Piratenschiffe irgendwie größer und mit viel mehr Totenkopfflaggen vorgestellt.
Claudia hat sich nicht lumpen lassen und für uns im Clarion Hotel Royal Christiania eine Suite aus zwei Zimmern und sogar einer Badewanne gebucht. Wir checken ein und machen uns sofort auf den Weg zu Egon. Agnes' Tipp ist Gold wert, denn Oslo ist schrecklich teuer und bei Egon kann man sich vor 18 Uhr in das Pizzabuffet einkaufen. All you can eat für 99 NOK (ca. 13 €). Claudia trinkt dazu einen Apfelsaft und ich ein alkoholfreies Bier. Die kleine Flasche Bier kostet 6,69 €, der Apfelsaft 5,39 € und dabei ist Egon eines der günstigsten Lokale in Norwegen. Ich beschließe, mich mit meinen eigenen Waffen für die unverschämten Preise zu rächen, indem ich so oft zum Buffet latsche, bis ich auch den Preis für das alkoholfreie Bier wieder drin habe und sogar Pieps mir einen verwunderten Blick zuwirft. Das Pizzabuffet bei Egon ist nicht der große Markerschütterer, aber das Brot ist heiß, der Ketchup darauf auch und es wird laufend frisch nachgelegt. Außerdem ist es das einzige Essen, dass wir uns leisten mochten. Als ich die kurz darauf die Preise bei Burger King lese, werde ich fast bewusstlos. Dafür gehe ich in Kiel gepflegt im Ratskeller essen, hmpff...
Gegen Abend verziehen wir uns in unsere Suite. Klugerweise habe ich mir aus dem Supermarkt eine Dose Bier mitgenommen, das ich aus einem der Plastik Zahnputzbecher trinke. Entweder man hat Stil, oder man hat ihn eben nicht.

Als ich wieder ins Zimmer komme, liegt ein gekochtes Ei auf meinem Kissen und Claudia und Pieps grinsen mich breit an. Claudia hat tatsächlich einen Beutel hartgekochter Eier von zuhause mitgebracht. Eine tolle Idee. Zufrieden mampfen wir drei die Überraschungseier in uns hinein.
Den Rest des Abends zappen wir uns durch die 22 Fernsehprogramme, bis wir entnervt aufgeben, weil die Werbung hier noch lauter und dümmer als zuhause ist.
Morgen geht es weiter mit der Bergenbahn und abends sind wir dann endlich auf unserem Postschiff. Gute Nacht, Welt.
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