2.000 km bis zum Nordpol
Als das Handy mich am Morgen aus dem Tiefschlaf holt, liegen wir im Hafen von Hammerfest, 1000 km nördlich des Polarkreises. Bis ich gewaschen, angezogen, geschminkt und endlich an Deck bin, sind wir aber schon wieder auf See.
Wir dümpeln eine Weile vor der Hafeneinfahrt umher, bis die riesige Trollfjord mit einer knappen Stunde Verspätung an uns vorbeirauscht und wir endlich in Havøysund anlegen können. Innerhalb weniger Minuten werden zwei Paletten Schnaps aus dem Laderaum an die Pier gehievt und mit einem Gabelstapler in eine Halle gefahren.

Als wir mittags in Honningsvåg festmachen, werden so viele Paletten mit Spirituosen ausgeladen und mit dem Stapler eilig weggekarrt, dass die Frage erlaubt sein muss, ob sämtliche 3.500 Bewohner dieses Dorfes engagierte Trinker sind.
Gegenüber der Pier entdecke ich die ICE BAR, eine Bar in der konstant eine Temperatur von -5° herrscht. Vielleicht wird der Schnapps dort zu leckeren Cocktails verarbeitet, aber besonders gemütlich klingt das nicht.
Während die Mehrzahl der übrigen Passagiere sich zur Snowscooter Safari aufmacht, bleiben Claudia, Pieps und ich an Bord, wo wir vom Speisesaal aus einen herrlichen und ungestörten Blick aufs Buffet haben. Besonders auf den Kabeljau in geschmorten Auberginen.

Pieps mag keinen Kabeljau und ich stelle ihr einen süßen Teller mit Schokopudding, Nusskuchen, Vanilleeis und einer halben Zimtschnecke zusammen. "Wo is' die annere Hälfte?" meutert die kleine Maus sofort, als sie die halbe Zimtschnecke bemerkt und guckt mich zutiefst misstrauisch an.
Während wir beim Essen sitzen, beginnt es zu schneien und das Schild an der Wand des Lagerhauses "2.110 km til Nordpolen" ist kaum noch zu erkennen.
Nach dem Essen ziehe ich mich in die Observation Lounge zurück und genieße es, aus der Wärme des Salons das Schneetreiben zu beobachten. Claudia löst ein Sudoku und ich wende mich meinem Kindle zu. Genau so stelle ich mir einen Aktivurlaub vor.
Nach einer Weile kommt eine Schweizerin zu uns herüber, mit der ich mich schon einige Male sehr nett unterhalten habe. Wenn sie mit ihrem Mann spricht, versteht man kein einziges Wort, aber für mich schaltet sie die Sprachverschlüsselung aus und ich kann sie ganz normal verstehen. Sie hat vier kleine Täfelchen Schweizer Schokolade, die sie uns schenkt.
Die Eismeerprinzessin freut sich wie eine Schneekönigin und der doofe Tischnachbar von gestern ist verziehen und vergessen. Dem schenkt bestimmt keiner Schokolade, höchstens Lebertran. Aber vielleicht ist er ja gerade deshalb so geworden.
Wir legen pünktlich ab und nehmen Kurs auf die Barentssee, die für ihre rauhen Kreuzseen bekannt ist. Der Tag ist grau in grau. Unten blaugraue See und oben ein bleischwerer Himmel. Dazwischen immer wieder Schneeschauer.
Am Nachmittag wird ein Fischer mit Königskrabben zu uns an Bord gebracht. Ein total Wahnsinniger rast bei hohem Seegang, Schneetreiben, Gischt und eisiger Kälte mit einem roten, völlig übermotorisierten Schlauchboot an die MS Lofoten heran und lässt den Fischer übersteigen.

Der Stockfisch sieht trotzdem total lecker aus, als er mit Beilagen perfekt zubereitet auf einem gewärmten Teller serviert wird. Mit Appetit stürze ich mich auf den ersten Bissen, kaue, schmecke, schlucke und bin ernüchtert.
Er ist sehr salzig, schmeckt auf unangenehme Weise fischig und ist bestenfalls essbar im Sinne von genießbar. Man muss Stockfisch schon sehr lieben, um ihn zu mögen. Das war mein erster und letzter Stockfisch.
Trotzdem kann ich es nicht leiden, wenn Claudia immer Recht behält. Deshalb mache ich genussvoll "Hmmmm." und schicke gleich hinterher: "Ich weiß gar nicht, was du hast. Stockfisch schmeckt doch total lecker..."
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