Reise nach Island
Tag 1: Kiel - Silkeborg
Tag 2: Silkeborg - Hirtshals
Tag 3: Hirtshals - Norröna
Tag 4: Shetlands - Färöer
Tag 5: Seyðisfjörður - Möðrudalur
Tag 6: Vormittag: Zur Askja
Tag 6: Nachmittag: Zur Herdubreid
Tag 7: F88 - Dettifoss - Ásbyrgi
Tag 8: Ásbyrgi - Myvatn
Tag 9: F26 - Sprengisandur
Tag 10: F821 - Akureyri - Blönduos
Tag 11: Kjölur - Kerlingarfjöll
Tag 12: Kjölur-Geysir-Pingvallavatn
Tag 13: Pingvallavatn - Holmavik
Tag 14: Holmavik - Flokalundur
Tag 15: Svalvogur - 622
Tag 16: Flokalundur - Budardalur
Tag 17: Budardalur - Pingvellir
Tag 18: Selfoss - Landmannalaugar
Tag 19: Landmannahellir - Vik
Tag 20: Vik - Skaftafell
Tag 21: Skaftafellsjökull
Tag 22: Skafta - Eislagune - Höfn
Tag 23: Höfn - Djupivogur
Tag 24: Djupivogur
Tag 25: Djupivogur - Seyðisfjörður
Tag 26-29: Heimreise
Fazit der Reise
Platzhalter Motorradreise Island
Platzhalter Motorradtour Island
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
Platzhalter Islandreise
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Landmannalaugar

Die Nacht war kalt und selbst heute Morgen fegt noch immer ein schneidender Wind über den Campingplatz. Ich packe rasch zusammen und fahre los, lange bevor das Diner öffnet. Es soll ein besonderer Tag werden, wir fahren nach Landmannalaugar, einer DER top Sehens­würdigkeiten Islands.

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Bei bestem Motorradwetter cruise ich auf der 36 in Richtung Selfoss. Mit 7.000 Einwohnern ist es die größte Stadt Südislands und zugleich unser Ort des Tages, im Sinne von ´Einziger Ort des Tages´.

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Tatsächlich ist Selfoss eine kleine Metropole. Schon am Stadtrand der übliche Gürtel aus Autohäusern und Tankstellen. Ich fahre ran, um Luft zu prüfen. Der Kompressor nennt als Einheit PSI, auf der Schwinge der Honda steht der Druck in KPA und ich selbst rechne in ATÜ. Der Luftprüfer lässt sich umstellen auf Bar. Vier verschiedene Einheiten, aber immerhin ein Kompromiss: Bar und ATÜ sind annähernd gleich. Ich gebe vorne 2,0 und hinten 2,2 Bar auf den Reifen.

Mir fällt auf, dass die Enduro sich etwas eckig lenkt. Entweder sind es die knobby Tires, die groben Enduroreifen, oder das Lenkkopflager ist nicht in Ordnung. Ich tippe auf die Cross-Reifen und cruise langsam weiter in den Ort. Neugierig schaue ich links und rechts. Hübsch ist es nicht, aber es gibt Geschäfte, Menschen und sogar Ampeln. Ampeln! Auf Island.

Ich fahre am Surf & Turf vorbei, an der LANDESBANKI und sogar an einem KFC Imbiss, aber auf die wahre Sensation bin ich nicht gefasst: Bakari. Eine Bäckerei. Auf Island.

Ich stelle das Motorrad ab und lasse es dabei um ein Haar fallen, weil ich mit den Gedanken längst bei Croissants und Kaffee bin, bei Wärme und Gemütlichkeit. Eilig stiefele ich zum Eingang.

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Mit der Gemütlichkeit ist es nicht weit her beim Gudni Bäcker, aber die Schinken-Käse Croissants sehen verführerisch aus, auch wenn ich mich zwingen muss, die 455 Kronen auf dem Preisschild nicht in Euro umzu­rechnen. "Pah!", denke ich, das hole ich mit den kostenlosen Refills beim Kaffee mühelos wieder rein.

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Pieps macht sich über ein geradezu grotesk überfülltes Schokocroissant her, während ich am Knusperkäse zweier Schinken-Käses knabbere.

Inzwischen habe ich entdeckt, dass mein Handy sogar eine Wetter App hat. Null Prozent Niederschlag, gefühlte 4 °C und teilweise sonnig. Island verwöhnt uns mit bestem Wetter.

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Ich bleibe länger sitzen, als es für unser Vorhaben ratsam ist und ganz hinten im Hinterkopf, da wo auch das schlechte Gewissen wohnt, weiß ich, was los ist: Es ist der Trip ins Hochland. Auf der Strecke sind Flüsse, die ich nicht einschätzen kann, und weil bisher alles so schön glatt gegangen ist, habe ich Schiss, dass meine Glückssträhne zu Ende gehen könnte.

Es ist schon merkwürdig: Sowie ich auf der Enduro sitze, munter am Griff drehe und die Gänge durchlade, hab ich solche Gedanken nie, wirklich nie. Die quälen mich nur im Stand-by, abends im Bett, oder bei Kaffee und Gebäck. Auf der Piste freue ich mich auf die Herausforderung und bin total bei der Sache. "Nun gut, besser, als umgekehrt", denke ich und stelle das Tablett mit dem Geschirr auf den Abräumwagen.

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Nach etwas mehr als der Hälfte komme ich auf die 26, Sprengisandur. Auf ihr bin ich vor neun Tagen umgekehrt und auf Plan B ausgewichen, weil der Fluss zu tief war. Hier, auf ihrem südlichen Abschnitt, ist sie perfekt asphaltiert und der Mittelstreifen strahlt in frischem Weiß.

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Die wichtigste Station des Tages ist ein unscheinbares Hotel an der 26. Das darf ich auf keinen Fall verpassen. Dort gibt es das letzte Benzin vor Sprengisandur und Landmanna­laugar. Niemand fährt daran vorbei. Jeder hält dort an, um ein letztes Mal zu tanken, bevor es in Europas größte Wüste geht. Es ist vielleicht die wichtigste Tankstelle in ganz Island. Auf jeden Fall die Einzige im südlichen Hochland. Und im Nördlichen.

Natürlich habe ich die Geschichten gehört, wonach es dort nicht immer Benzin gibt und die Tanks auch einmal leer sein können, aber dies ist die Realität, und nicht irgendeine Abenteuergeschichte, kein Adventuregarn, das ein Silber­rücken aus dem Sattel seiner GS gesponnen hat. Außerdem ist Hochsaison und wir haben gebucht.

Dennoch habe ich hinter Selfoss noch einmal aufgefüllt, nur zur Sicherheit, und auch der rote Kanister am Heck ist noch randvoll mit 1,5 Liter bestem ARAL Ultimate 102 aus Kiel.

Meine Sorge war umsonst: Man müsste blind sein, oder ohnmächtig am Lenker sitzen, um Hrauneyjar zu verpassen. Nach endlos scheinenden Kilometern durch menschenleere Ödnis taucht dieser riesige Parkplatz neben der Straße auf, ein flacher Hotelbau, eine Zapfsäule und zwei grüne Fahnen der Ölgesellschaft.

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Autos, Geländewagen und sogar ein Bus von Akureyri Excursions stehen an, um zu tanken. Alles geht äußerst gesittet zu und im Grunde ist es nur dieses eine, nicht mehr ganz junge Dämchen aus Kiel, die sich mit ihrem Ackermofa elegant an allen vorbeischlängelt und die Tatsache nutzt, dass ein Motorrad sich von beiden Seiten gleich gut betanken lässt.

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Niemand nimmt Anstoß an dem kleinen Manöver. Die Isländer sind Stoiker, und die Touristen kämpfen mit der Bedienung des Tankautomaten. Ich ramme die Karte in den Automaten, tippe die PIN ein, wähle Benzin 95, und beginne zu zapfen.

Nach exakt 0,10 Litern ist Schluss. Die Pumpe surrt, aber es kommt kein Benzin mehr. Nicht ein Tropfen. "Empty!", verkünde ich lauthals und recke die trockene Zapfpistole in die Luft.

Jetzt habe ich die Aufmerksamkeit nicht nur der Mietwagenfahrer. Natürlich glaubt man mir nicht. Ich kann ihre Gedanken förmlich hören: "Die Karte ist sicher nicht gedeckt. Vermutlich geklaut. Oder vielleicht ist sie auch einfach nur zu dämlich..."

Doch andere kommen bald zum selben Ergebnis, nur mit 100 ml Sprit weniger, und schon bald spielen sich regelrechte Dramen ab: "What shall we do now? Where do we get fuel? We have to talk to the Manager."

Auch die Dieseltanks sind leer, wie der Toyota mit den Ballonreifen kurz darauf feststellt. In solchen Situationen kommen selbst Wildfremde mit­einander ins Gespräch, die sich sonst keines Blickes würdigen. Der Fahrer spricht mich an, ein Isländer. Er ist sauer und wir bilden spontan eine Seilschaft, um uns drinnen im Hotel zu beschweren.

"Sorry People, wrong Company. We don´t have anything to do with the pumps", erwidert der junge Mann am Tresen achselzuckend. Nichts könnte ihm gleich­gültiger sein. Dennoch ruft er bei der Ölgesellschaft an und teilt mit, dass die Tanks mal wieder leer seien. Er hat die Nummer auf Speed Dial. Kann es sein, dass sie erst einen Tank­wa­gen losschicken, wenn dieser eine Anruf kommt?

Isländer sind Stoiker. Das ist ein Angeberwort der alten Griechen für Leute, denen alles shice egal ist. Allerdings wirkt es auch extrem lässig.

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Die leeren Tanks sind für Honda, Pieps und mich kein echtes Drama, denn unser Tank ist fast voll und wir haben noch den Kanister. Ich rechne alles noch einmal durch und komme zum Ergebnis, dass wir uns keine Sorgen machen müssen. Für das, was wir vorhaben, reicht unser Benzin.

Bevor es weitergeht, müssen wir etwas essen. Wir sind ohne Frühstück gestartet, aber heute bin ich zu geizig, oder nicht hungrig genug, um eines der Gerichte auf der Tafel zu bestellen. Schon der Salatteller kostet 1.900 Kronen. Und den wollen wir nicht mal.

Eine junge Frau bemerkt mein Zögern und rät mir, nur Kaffee zu bestellen, denn "The Cookies are for free". Wenn man Kaffee kauft, darf man so viele von den Keksen dazu nehmen, wie man möchte. Es sind ausgesprochene Panzerplatten, aber kein echter Gegner für Pieps Nagezähne, und ich tunke meine einfach in den Kaffee.

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Ich warte nicht ab, ob der Tankwagen aus Reykjavik rechtzeitig genug eintrifft, um zu verhindern, dass die Mietwagen-Jokeys sich in einem irren Mad Max Reenactment gegenseitig umbringen und das Benzin abzapfen. Den kleinen roten Kanister an der Honda hat bis jetzt niemand bemerkt. Ich starte die Maschine und fahre raus auf die 26.

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Ein Stück die Straße runter verkündet ein Schild: Nächste Tankstelle in 243 km. Das ist die komplette F26 bis zum Hotel am Godafoss, wo ich selbst erst vor neun Tagen getankt habe. Dazwischen liegt Wüste.

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Doch heute ist die Sprengi nicht unser Ziel. Wir biegen vorher ab auf die F208 nach Landmannalaugar, eine üble Piste mit scharfkantiger Lava, die sich fährt wie abgewohntes Gleisbett ohne Schienen.

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Auf den ersten Kilometern komme ich an einem tosenden Wasserfall vorbei. Ich fahre bis dicht an die Kante und schieße ein Foto direkt aus dem Sattel. Andere Besucher, deren Autos oben auf dem Parkplatz stehen, sehen mich missbilligend an. Ich mag es eben, wenn ich nicht extra absteigen muss.

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Kurz darauf wird der Boden wieder heller und die Piste einfacher zu fahren. Das Hochland. Das ist es, weshalb ich nach Island gefahren bin.

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Diese Landschaft zieht mich jedesmal aufs Neue in ihren Bann. Ich kann mich dem Zauber dieser unwirtlichen Mondoberfläche nicht entziehen.

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Diese Weite mit ihren unberührten Flächen aus Lava, Sand und Asche weckt und befriedigt zugleich die Sehnsucht nach Abenteuer in mir. Das habe ich nirgendwo anders bisher so empfunden.

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Die F208 ist wirklich übel. Zuerst Split, tief und schwammig, dann Steine, denen man besser ausweicht, abgelöst von Schlaglöchern, die so perfide verteilt sind, dass ich keinen Ausweichkurs finde, und zu guter Letzt: Sand.

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Außerdem herrscht auf dieser Piste ein Verkehr, wie in einer Kleinstadt am Samstagmorgen, wenn jeder noch schnell zum Tanken und zum Einkaufen fährt. Zwei Dacia Duster von vorn, Super­Jeep von hinten, ein Jimny, ein Hilux und schließlich der Linienbus aus Reykjavík.

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Mittendrin die kleine Svenja aus Kiel, die ein einziges Verkehrs­hindernis ist, weil sie immer wieder anhält, fotografiert, Objektive wechselt, oder schlicht die Landschaft bestaunt. Und wenn sie endlich einmal in Fahrt ist, dann selten über 40 km/h. Angeblich, weil es zu schön ist, um hier mit Full Speed durchzuheizen.

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Die hier langfahren, sind auf dem Weg nach Landmannalaugar, einer der absoluten top Sehenswürdigkeiten des Hochlandes. Bei Wikipedia steht zu lesen: Die unter Naturschutz stehende Gegend gilt als eine der schönsten der Insel, was sie den zahlreichen vulkanischen Erscheinungen und den sehr farbigen Bergen zu verdanken hat. Quelle: Wikipedia.

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Mitten im Hochland komme ich an eine Kreuzung, oder eher an eine Ein­mündung im Nirgendwo mit Schilderwald. Rechts geht es auf die F225, den Landmannaleid.

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Dort werden wir heute Nachmittag auf dem Rückweg abbiegen, denn in Landmannalaugar bleiben wir nicht. Dort gibt es zwar einen Campingplatz, einen ziemlich großen sogar, aber das Camp ist mir in hohem Maße verdächtig als übles Centre of Overtourism.

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Unmittelbar vorm Camp sind zwei Furten zu durchqueren. Davor parken etwa 50 Autos und drei Reisebusse. Jeder, der nicht durch den Fluss kann oder will, lässt sein Fahrzeug hier stehen. Für Fußgänger gibt es einen Steg, auf dem man trockenen Fußes ins Camp wandern kann.

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"Don´t push your Luck!", denke ich und lasse die Enduro am Ufer zurück. Sehr zur Belustigung zweier River-Fail-Watcher, die mich auffordern, doch einmal durch den Fluss zu fahren. GoPro und Fotoapparat im Anschlag warten sie nur darauf, dass sich irgendein Depp in den Fluss legt. Aber nicht ich. Nicht heute. Ich will mir Landmannalaugar bloß einmal ansehen. Dafür lohnt sich das Risiko nicht.

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Mit der Kamera in der Hand wandere ich über den kleinen Steg und schlendere hinüber ins Camp.

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Autos und Busse fahren im Minutentakt durch den Fluss. Mindestens 100 Autos und etwa ein Dutzend Reisebusse stehen auf riesigen Parkflächen, die mit Seilen abgespannt sind und es sind bei weitem noch nicht alle Plätze belegt.

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Der Himmel ist voller Wolken, aber sowie die Sonne einmal durchkommt, leuchten die Berge in den schönsten Erdfarben. Besonders der gelbe Schwefelberg hat es mir angetan. Am liebsten würde ich hin­gehen und ein wenig daran herumkratzen.

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Das Tal ist Ausgangspunkt einiger besonderer Wanderwege. Dutzende Wanderer mit und ohne Guide machen sich bereit für den Weg in die Berge. Man sieht die neuesten und coolsten Ausrüstungs­gegenstände, die der Outdoor Markt hergibt und dies ist geradezu der perfekte Ort, um das Zeug einmal unter Gefechtsbedingungen zu testen.

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Andere kommen, um in den heißen Quellen zu baden. Tatsächlich sitzen am Fuß des Berges viele - mehr oder weniger nackte - Menschen im dampfenden Wasser.

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Auf einer Geröllfläche in der Mitte des Camps stehen etwa zwei Dutzend Zelte, die sämtlich mit Steinen beschwert sind. Hier wehen oft Winde, die im Nu eine ganze Zeltstadt abräumen können und dazu sind Heringe nur schwer in den steinigen Boden zu treiben. Das ist eher ein Basislager, als ein herkömmlicher Campingplatz.

Eine Attraktion auf dem Gelände sind die Food Trucks. In drei alten Bussen residiert die Mountain Mall - Grocery Store and Coffee House.

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Eine coolere Mall kann man sich kaum vorstellen. Hier gibt es die Dinge zu kaufen, die wirklich wichtig sind: Campinggas, Tütensuppen, Knäckebrot, Kekse, Schokolade, Isomatten, Decken, warme und vor allem trockene Socken, heißen Kaffee und warme Suppe.

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Ein Schild verkündet: Free Hugs. Ein besonderer Service für alle, die etwas menschliche Wärme brauchen, was im Hochland schneller der Fall sein kann, als man denkt. Die Trails sind anspruchsvoll und die Gletscher­flüsse eisig. Selbst im Juli kann plötzlich Schnee fallen und mehr als einmal pro Saison rücken die Ranger aus, um Wanderer zu retten und nicht immer geht es gut aus.

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Landmannalaugar ist ein Erlebnis, auch wenn man weder wandern, noch mit Fremden im Wasser sitzen möchte. Das Basislager am Fuß der Schwefel­berge hat eine ganz eigene Atmosphäre, das hübsche Tal, die Bäche mit heißem Wasser und die coole Mountain Mall.

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Trotzdem möchte ich jetzt wieder los. Der Trubel geht mir ein wenig auf die Nerven. Später wird Claudia berichten, dass sie es schon vor 30 Jahren so erlebt hat. Im Grunde wollte ich es bloß einmal ansehen und das habe ich. Wir fahren weiter. Jetzt suchen wir unseren Platz für die Nacht.

Etwa 15 km von hier gibt es einen zweiten Campingplatz, Landmannahellir. Er liegt ein gutes Stück abseits der Hauptstrecke, soweit man bei der F225 überhaupt von einer ´Hauptstrecke´ sprechen kann, doch auch diese Piste ist alles andere als verlassen.

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Eine nicht näher zu bestimmende Anzahl Dacia Duster, der übliche Bus von Reykjavik Excurions und ein Jeep Wrangler mit 31" Rädern. Und dann mitten in dieser Einöde aus Lava, Asche und Sand ein Verkehrschild, das eine Geschwindigkeit von 30 km/h empfiehlt.

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Das Camp liegt abseits der F225 und auf diesem Stück sind zwei Furten zu durchqueren. Die erste ist bloß ein breiter, flacher Bach. Nichts, um abzusteigen, irgendwas rüberzutragen, oder die Videokamera aufzu­stellen. Ich mache nur ein Foto und fahre ohne noch einmal anzuhalten in einem Rutsch durch.

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Nach einer Weile wird der Boden weicher, fruchtbarer und grüner. Der Blick öffnet sich in ein liebliches Tal. Ein Fluss fließt durch seine Mitte. An seinem Ufer hat sich eine dünne Grasnarbe gebildet, in die ich zu gerne ein paar Heringe pieken würde.

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Ein paar hundert Meter vorm Camp ist eine letzte Furt zu durchqueren. Ein Bach hat auf dem Weg einen fast kreisrunden Tümpel gebildet. Das Wasser ist schwarz, so dass ich nicht auf den Grund gucken kann.

Ich halte an, gebe mit gezogener Kupplung zwei kurze Gasstöße, wie um mir selbst Mut zu machen, und tuckere in den Rasten stehend hinein. Das Wasser ist tief. Tiefer, als ich dachte. Das ist kein Tümpel, das ist ein Wassertopf, der Boden weich und schlammig.

Die Honda beginnt zu graben. Ich gebe mehr Gas, die Honda gräbt tiefer. Ich reiße den Gashahn bis zum Anschlag auf. Jetzt hilft nur Power. Wütend trompetet der Titanauspuff durchs Tal. Wenn der Vortrieb abreißt, muss ich den Fuß absetzen und das gibt Strafpunkte. Honda gräbt, Auspuff brüllt, Svenja schwitzt. Mit Full Power katapultiert die Rally uns ans rettende Ufer. Der Motor dampft, zischt und kocht vom eiskalten Wasser.

Wieso mach ich solchen Shice? Zwei Dutzend Mal war ich vorsichtig, bin gewatet, hab gescoutet und sogar mein Gepäck rübergetragen. Und jetzt beinahe sowas? An einem pupsigen Wasserloch?

Zu meiner Entschuldi­gung kann ich nur vorbringen, dass es völlig harmlos ausgesehen hat. Ich habe vorher nicht mal ein Foto gemacht, weil es so belanglos war. Und hinterher war ich zu geschockt und bin schnell abge­hauen von dem Ort, an dem meine Siegesserie um ein Haar geendet hätte. Aber zumindest ist das Motorrad wieder schön sauber und meine Stiefel sind es auch.

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"That small pool only a kilometer from here?", fragt der Ranger, der für das Camp zuständig ist, mit der Andeutung eines Grinsens. Wir stehen in der kleinen Hütte mit dem weißen i für Information Desk. Ich nicke.

"Oh, yes. At least once a week someone comes over walking and asks me to pull out his car. Happens all the time. It´s quite deep."

Ich zahle 1.833 Kronen und darf mein Zelt auf die Wiese am Fluss stellen. Auf der Reklame­tafel zu Beginn der F225 wirbt der Platz mit Soft Camping. Zuerst dachte ich, das sei irgendwas Spezielles für Windrad­anpuster, wo sie alle wieder nackt im Wasser sitzen, sich an den Händen halten und singen, dabei ist schlicht der weiche Untergrund ohne Steine gemeint.

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Die Heringe lassen sich perfekt in die Grasnarbe drücken. Neben mir baut eine Jugendgruppe ihr Lager auf. Eine Jurte inmitten einer Wagenburg kleiner Zelte. Es ist eine christliche Jugendfreizeit aus Frankfurt und sie sind leiser und gesitteter, als ich je eine Gruppe Jugendlicher erlebt habe. Im Grunde sind sie wie ganz normale Menschen, nur eben jünger und unbeschwerter. In ein paar Jahren könnte Pieps da auch mitfahren und etwas Schwung in die Bude bringen, aber vermutlich müsste ich sie am zweiten Tag abholen, weil sie wieder irgendwen gebissen hat, der doof geguckt hat, oder sein Pausenbrot nicht gleich rausrücken wollte.

Camp Landmannahellir ist der perfekte Ausweichplatz für alle, denen Landmannalaugar entweder zu overcrowded, oder zu felsig ist, auch wenn hier die "Facilities" einfacher als einfach sind: Eine einzelne Toilette für Jungs und eine für Mädchen. Draußen zwei Waschbecken unter freiem Himmel, dazu Quellwasser frisch aus dem Berg, das so kalt ist, dass es im Hals brennt.

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Wenn das Wetter original isländisch wird, kann man sich in eine Schutz­hütte verkriechen und auf einer der Holzpritschen schlafen. Eine Sleeping Bag Accommodation, die etwa einem einfachen Matratzenlager entspricht. Bloß ohne Matratzen.

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Hellir bedeutet Höhle und tatsächlich gibt es eine: Die Höhle der Seherin. Sie liegt etwa 50 Schritte hinter der Schutzhütte am Fuß des Berges. Den Eingang markiert ein Gittertor. Es steht offen. Neugierig trete ich ein.

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In der nordischen Mythologie reitet Odin auf seinem achtbeinigen Pferd Sleipnir zum Grab der Seherin Wals am östlichen Tor zur Unterwelt und erweckt sie mit Zaubergesang zum Leben. Das Grab der Seherin ist die Höhle Landmannahellir.

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So weit, so spannend, aber wie kommt es nur, dass die Wirklichkeit nie Schritt halten kann mit der Legende, dem Mythos? Als ich von Odin las, der Seherin und dem acht­beinigen Pferd Sleipnur, hatte ich mir etwas anderes vorgestellt. Ich weiß nicht genau was, aber wenn ich mich hier so umsehe, dann jedenfalls nicht dieses 14 Meter lange matschige Loch mit den Resten eines Barbeques.

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Ein wenig ernüchtert verlasse ich die Höhle und stiefele den Hügel hinauf. Ich möchte ein Luftbild vom Camp machen. Von oben bietet sich ein hübscher Blick ins Tal und über den Fluss Helliskvisl.

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Heute Abend bleibt die Küche kalt. In dem eisigen Quellwasser kriege ich die Bratpfanne nur wieder sauber, wenn ich unseren kompletten Vorrat an Fairy Ultra dafür ins Rennen werfe, und das möchte ich nicht.

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Ich bereite für Pieps und mich ein buntes Abendbuffet aus Chorizo, Skyr, Brötchen, Nougatschokolade, einer Dose Thunfisch und dem Rest aus einer Tüte Erdnüsse, die seit Kiel mit uns gereist ist. Man mag über Pieps und mich denken, was man mag, aber Stil haben wir.

Morgen geht es über die F225 zurück in die Zivilisation, oder zumindest auf die Ring­straße. Doch bevor wir überhaupt wieder auf die F-Road kommen, seien noch zwei Furten zu durchqueren, sagte der Ranger: "They are deeper and the Ground is Rocks and Stones."

Wieder zeigt er dabei diese Andeutung eines Grinsens. Der Bandit!

zum nächsten Tag...

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Es war gut, nach Landmannalaugar zu fahren und sich selbst ein Bild zu machen. Und noch besser war es, hinterher nach Landmannahellir zu fahren und dort zu übernachten. Die F-Roads im Hochland sind sämtlich eine Reise wert. Welch ein toller Reisetag das war. Bis morgen, Leute...



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Svenja Svendura EndurowandernMade by Svenja Svendura on Apple iMac with Panic Coda and Photoshop Elements.