Inhaltsverzeichnis Frankreich 2025 Tag 1-3 Kiel - Wingen-sur-Moder (F) Tag 4 Wingen-sur-Moder - Bannes Tag 5-6 Hautoreille - Le Paroy Tag 7-8 Morvan - Auvergne Tag 9 Gorges de la Dordogne Tag 10 Gorges de la Dordogne II Tag 11 In den Gärten von Limeuil Tag 12 Lotmündung in die Garonne Tag 13 Vallée du Lot
Im Vallée du Lot
Welch ein herrlicher Platz, um morgens aufzuwachen. Ich stecke die Nase aus dem Zelt und vor mir in der aufgehenden Sonne liegt der Lot.
Am liebsten würde ich noch länger bleiben, aber heute kommen die Schausteller und unser Platz wird gebraucht.
Dafür erwarten uns heute 150 km durch das Vallée du Lot, das Tal des Lot, da, wo die malerischen Mäander wachsen.
Der Track führt, wann immer es möglich ist, ganz nah am Ufer entlang.
Ich will jede Brücke sehen.
Auf einem Schild am Straßenrand steht Lustrac.
Vermutlich spricht man es „Lühstrag" aus.
In Frankreich klingt alles großartig.
Die Sprache begeistert mich, und jedes Jahr bin ich aufs Neue wild entschlossen, sie endlich zu lernen, doch dann zuhause, im trüben Kieler Herbst kommt mir der Drive abhanden, es endlich in die Tat umzusetzen.
Der Lot ist tatsächlich ein Fluss der Brücken.
Erst Brücken und Bauwerke verleihen einem Fluss ein Gesicht.
Ohne ist es bloß braune Brühe, die durchs Gestrüpp fließt.
Außerdem sind Brücken praktisch, wenn man mal auf die andere Seite will.
WIE praktisch, erkennt man erst in Island, wo viele Flüsse keine Brücken haben und man selbst sehen muss, wie man rüberkommt.
Schon aus der Ferne sieht der Ort Puy-l’Évêque faszinierend aus.
Er liegt auf einem Hügel über dem Lot und erscheint so pittoresk, wie es wohl nur mittelalterliche Städte können. Ich fahre zur Anlegestelle der Flussboote und mache ein Foto.
Man könnte sicher einen ganzen Tag dort verbringen und sich jede Gasse zu Fuß erwandern, doch ich tuckere lieber mit der Honda durch die engen Gassen, schon weil ich den Sound des Einzylinders so sehr liebe.
Ab und zu entfernen wir uns ein Stück weit vom Fluss, um von oben einen Blick auf das Tal des Lot werfen zu können.
Unter den Bäumen der Walnussplantage stehen Gestelle für die Fangetze.
Walnüsse sind eigentlich Selbstfaller, wie Kastanien: Wenn die grüne Hülle aufplatzt, sind sie fertig und fallen sie runter.
Weil die Bauern aber keine Zeit haben, jeden Tag nur eine Handvoll Nüsse aufzusammeln, hängen sie Netze unter die Bäume und schütteln sie am Tag der Ernte mit einer Maschine, die sowas kann.
Die KI hat uns dazu eine recht anschauliche Skizze gemacht.
Der Lot bietet viele Hängebrücken, malerisch anzusehen, schmal und filigran, jede mit ihrem individuellen Höchstgewicht beledert: Einige dürfen 16 t tragen, andere sind nur bis 3,5 t ausgelegt. Manches Wohnmobil wäre da bereits zu schwer.
Zur Sicherheit haben sie zusätzlich eine Höhensperre angehängt, wie auf dem Parkplatz von ALDI in Kronshagen, damit hier keiner unfreiwillig zum Schettino wird: „Ach was, das passt schon. Da ist ja immer noch eine gewisse Toleranz eingerechnet.“
Später - vor Gericht würde ich das übrigens so nicht aussagen, aber Pieps und ich müssen uns ohnehin keine Sorgen machen. Wohlgemut rumpeln wir über alle Brücken.
Zusammen mit Motorrad und Gepäck bringen wir gerade einmal 277 kg auf die Waage. Das reicht nicht für einen Eintrag in die Rubrik "Desaster, die man hätte kommen sehen können".
Bei Cahors wird es Zeit zum Tanken.
Der Verbrauch des coolen Roadsters hat sich mittlerweile bei etwa 2,8 Liter eingependelt.
Mit dem großen Tank sind gut 500 km drin.
Da kann Greeny mit ihrem 7,7 l Adventuretank nicht mithalten.
Dafür dauert das Auftanken, wenn man es gewissenhaft macht und den Tank ganz voll kriegen will, eine Ewigkeit. Gerade wenn der Sprit bis zur Oberkante steht und man die Pistole wieder weghängen will, gluckert das Benzin in eine versteckte Kaverne und man kann wieder einen Viertelliter nachtanken. Das nervt, aber dafür brauche ich das mit dem Tanken bloß alle zwei bis drei Tage einmal zu machen.
Im Intermarché de Cahors kaufen wir fürs Abendessen ein. Heute bleibt die Küche kalt. Ich lege einen Camembert, etwas Brie und eine Strecke geräucherte Entenbrust in unseren Einkaufskorb.
Dazu eine halbe Flasche Bergerac Rouge.
Die Strecke zwischen Cahors und Saint-Cirq-Lapopie soll die schönste im Tal des Lot sein, weil der Fluss hier seine schönsten Mäander bildet, und tatsächlich ist es ein Hochgenuss, hier Motorrad zu fahren.
Ich feiere buchstäblich jeden Kilometer, und wenn ich noch langsamer fahre, fahre ich rückwärts, weil ich so oft anhalte, um Fotos zu machen.
In Vers, einem Dorf von 400 Einwohnern mündet ein Nebenfluss in den Lot: La Vers.
Auf einer Brücke bleibe ich stehen und bestaune die Ansicht.
Die Farbe des Flusses hat etwas Karibisches, und Pflanzen, Bäume und Sträucher erinnern eher an eine Szene aus Costa Rica.
Auf der Wiese am Fluss liegen Leute auf ihren Handtüchern und sonnen sich am Plage du Vers, dem öffentlichen Badestrand.
Nur hundert Meter weiter, auf dem Landdreieck der Confluence, liegt der Gemeindecampingplatz, Camp Municipal de l'Arquette . Ich notiere alles ganz genau: Hier möchte ich wieder herkommen und ein paar Tage zelten.
Über die Frage der Reisetreue bin ich längst hinweg: Wo es schön ist, da will ich wieder hin, anstatt immer nur und ausschließlich Neues zu suchen. Manche Songs möchte man mehr als einmal hören!
Die nächsten Kilometer sind sensationell zu fahren. Die Felsüberhänge erinnern an die Gorges du Tarn und unsere Reise am Tarn entlang. Die Straße ist buchstäblich an den Felsen geklebt und liefert ein grandioses Fahrvergnügen. Allerdings ist die Etappe nur kurz und kann nicht mithalten mit den dramatischen Strecken durch die Gorges du Tarn.
Das Camp, das ich für heute ausgesucht habe, Camping Chill-Lot liegt auf einem schmalen Uferstreifen am Lot. Ich möchte so gerne wieder mit Blick auf den Fluss aufwachen.
Ich tuckere auf den Platz und parke vor dem Haus mit den gelben Türen.
Ein Mann kommt raus und begrüßt mich: Groß, dürr, Vollbart, lange Haare mit Dutt: Dinkel-Dieter.
Die gibts immer noch, und mit dem Siegeszug der Lastenräder erleben sie gerade eine zweite Hochzeit.
Er ist aber nicht unfreundlich und vor allem spricht er etwas Englisch.
„Just for one night. And a cold beer, please.“ „We don't have. Next week. Just ordered.“ „Ice cream?“ „Same.“ „Nothing? Really?“ „Coffee“, und zeigt stumm auf die Nespresso Maschine.
Dafür dürfen wir unseren Stellplatz frei aussuchen.
Hauptsache: Schatten!
Das Camp besteht aus einem Feldweg am Ufer, an dem entlang die Stellplätze durch Hecken getrennt aufgereiht sind. Jeder Platz bietet einen freien Blick auf den Lot.
Sehr schön!
Wir entscheiden uns für Parzelle Nr. 10. Die bietet den tiefsten Schatten und das Gras ist auch in Ordnung.
Das Garmin sagt, wir seien heute einen Schnitt von 32 km/h in Bewegung gefahren oder 24 km/h, wenn man sämtliche Pausen und jeden Stillstand mit einrechnet.
Wenn die Honda bloß ein paar PS mehr hätte, dann ...
„Merkste selber, näh?!“
Das war ein 1a premium Reisetag.
Inzwischen habe ich in Frankreich so viele schöne Plätze für Motocamping gesammelt, dass man daraus eine neue Reise stricken könnte: Un road trip en camping à travers la France*, eine Rundreise durch Frankreich mit den schönsten Camps, aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur.
Diesen Gedanken halte ich erstmal fest
*Ein Camping-Roadtrip durch Frankreich.